Die Nachtwächter
aber was den Rest betraf… Manchmal sah man Dinge, die es nicht nur unmöglich machten, an Götter zu glauben, sondern auch an Menschlichkeit und die eigenen Augen. Soweit sich Mumm erinnern konnte, hatte Keel auf die gleiche Weise empfunden. Man machte einfach weiter. Wenn es Götter gab, so erwartete man, dass sie ebenfalls weitermachten, und man störte sie besser nicht bei der Arbeit.
Was sollte er einem toten Polizisten sagen? Was hätte Keel gern gehört?
Mumm beugte sich tiefer. »Carcer wird dafür baumeln«, sagte er und trat zurück.
Hinter ihm hustete Kehrer theatralisch. »Bist du so weit, Euer Gnaden?«, fragte er.
»Ich denke schon«, erwiderte Mumm.
»Wir sprachen vorhin von der Rüstung«, sagte Kehrer. »Sie wird…«
Qu unterbrach ihn. »Es geht dabei um Folgendes, Kommandeur. Du, der Bursche namens Carcer und all die Dinge, mit denen ihr hier eingetroffen seid, formen eine in die Länge gezogene Transzeit-Anomalie, die unter erheblicher Spannung steht.«
Mumm drehte den Kopf und sah Kehrer an.
»Es ist sehr schwer, Dinge aus der Zeit zu bewegen, in die sie gehören, aber es erfordert weitaus weniger Mühe, sie dorthin zurückzubringen, wo sie waren«, übersetzte Lu-Tze.
Mumm starrte weiterhin.
»Alles hat den innigen Wunsch, dort zu bleiben, wo es sein sollte«, sagte Kehrer.
»Das stimmt«, brummte Mumm.
»Wir… schmieren den Weg«, sagte Kehrer. »Wir schieben ein wenig, und dann kehrt alles zurück. Auch du. Hast du heute Morgen etwas gegessen?«
»Nein!«
»Dann sollte es nicht allzu unsauber ablaufen«, sagte Kehrer. Als er die Verwirrung in Mumms Gesicht sah, fügte er hinzu: »Unverdaute Nahrung. Sie bleibt hier, weißt du.«
»Soll das heißen, sie zerreißt den…«
»Nein, nein«, warf Qu schnell ein. »Du bemerkst nichts davon. Aber eine nahrhafte Mahlzeit nach deiner Rückkehr wäre eine gute Idee.«
»Und die Rüstung bleibt hier?«
Qu strahlte. »Ja, Euer Gnaden. Auch der Rest. Augenklappe, Socken, alles.«
»Und die Stiefel?«
»Ja. Alles.«
»Und die Unterwäsche?«
»Die ebenfalls, ja.«
»Ich kehre
nackt
zurück?«
»Das eine Kostüm, das überall in Mode ist«, sagte Kehrer und lächelte.
»Aber warum trug ich meine Rüstung, als ich hier eintraf?«, fragte Mumm. »Und Carcer hatte seine Messer dabei, das steht fest.«
Qu öffnete den Mund, um zu antworten, aber Kehrer kam ihm zuvor.
»Tausend Schritte sind nötig, um den Gipfel des Berges zu erreichen, aber ein kleiner Sprung bringt einen wieder ganz nach unten«, sagte er. »Verstanden?«
»Das ergibt einen gewissen Sinn…«, räumte Mumm ein.
»So funktioniert das ganz und gar nicht, Lu-Tze!«, jammerte Qu.
»Nein, aber es ist eine weitere gute Lüge«, sagte Kehrer. »Hör mal, Kommandeur, wir haben kein verdammtes großes Gewitter, und wir haben auch nicht genug gespeicherte Zeit. Wir müssen improvisieren, anders geht’s leider nicht. Wir bringen dich und deinen Gefangenen zurück, aber mit ziemlicher Sicherheit erreicht ihr nicht den gleichen Ort, wegen der Quanten. Es ist schon schwer genug zu verhindern, dass du hundert Meter über dem Boden erscheinst, glaub mir. Auch deine Kleidung hinüberzubringen, obwohl sie hierher gehört… Das erfordert zu viel Kraft. Bist du nun fertig? Du musst dorthin zurück, wo du gestanden hast. Geh so schnell wie möglich zu Carcer. Du musst ihn
packen,
denn sonst bleibt er hier.«
»Na schön, aber ich habe hier viele Dinge verändert!«, erwiderte Mumm.
»Überlass das uns!«, sagte Kehrer.
»Was ist mit Keel?«, fragte Mumm und setzte sich widerstrebend in Bewegung.
»Sei
unbesorgt
! Wir haben es dir im Tempel erklärt. Wir legen ihm deine Rüstung an. Alles wird so aussehen, als wäre er im Kampf gefallen.«
»Sorgt dafür, dass dem jungen Sam nichts zustößt!«, sagte Mumm, als Qu ihn in die richtige Position brachte. Die steinernen Zylinder begannen sich zu drehen.
»Ja!«
»Sorgt dafür, dass Reg Schuh ein anständiges Begräbnis bekommt!«
»In Ordnung!«
»Aber das Grab sollte nicht zu tief sein, denn in einigen Stunden will er es wieder verlassen!«
Qu gab ihm einen letzten Stoß.
»
Auf Wiedersehen,
Kommandeur!«
Die Zeit kehrte zurück.
Ned musterte ihn. »Was ist gerade passiert, Oberfeldwebel? Du bist
verschwommen
.«
»Du hast nur eine Frage, Ned«, sagte Mumm und kämpfte gegen die Übelkeit an. »Und jetzt zeigen wir Schnappüber, wo die Grenze gezogen ist. Bringen wir die Sache zu Ende…«
Sie griffen an, und die
Weitere Kostenlose Bücher