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Die Nachtwächter

Die Nachtwächter

Titel: Die Nachtwächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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guter Tag für Korporal Fing.
    »Ja?«,
fragte Colon.
    »Äh… die Vorschriften, Feldwebel… Du bist der ranghöchste Offizier, und ich bin heute der Offizier vom Dienst, andernfalls würde ich dich nicht fragen… Wenn du das Wachhaus verlässt, Feldwebel, musst du mir sagen, wohin du gehst. Falls sich jemand mit dir in Verbindung setzen möchte. Ich muss es im Buch notieren. Mit dem Stift und so«, fügte er hinzu.
    »Weißt du, welcher Tag heute ist, Fing?«, fragte Colon.
    »Äh… der fünfundzwanzigste Mai, Feldwebel.«
    »Und weißt du, was das bedeutet, Fing?«
    »Äh…«
    »Es bedeutet«, sagte Nobby, »dass jeder, der wichtig genug ist, um zu fragen, wohin wir gegangen sind…«
    »… weiß, wohin wir gegangen sind«, sagte Colon.
    Hinter ihnen fiel die Tür zu.
     
    Der Friedhof der Geringen Götter war für die Leute bestimmt, die nicht wussten, was als Nächstes geschehen würde. Sie wussten nicht, woran sie glauben sollten oder ob es ein Leben nach dem Tod gab, und oft wussten sie auch nicht, was plötzlich geschehen war. Mit liebenswürdiger Ungewissheit waren sie durchs Leben gegangen, bis sie schließlich die letzte Gewissheit getroffen hatte. Unter den letzten Ruhestätten in Ankh-Morpork war dieser Friedhof die Schublade mit der Aufschrift »Verschiedenes«. Die hier Beerdigten ruhten in freudiger Erwartung von… nicht viel.
    Die meisten Wächter wurden hier bestattet. Nach einigen Jahren fiel es Polizisten schwer genug, an Menschen zu glauben, geschweige denn an etwas, das sie nicht sehen konnten.
    Diesmal regnete es nicht. Der Wind schüttelte die rußigen Pappeln an der Mauer und ließ sie rascheln.
    »Wir hätten Blumen mitbringen sollen«, sagte Colon, als sie durch das hohe Gras gingen.
    »Ich könnte einige von den frischen Gräbern stibitzen, Feldwebel«, schlug Nobby vor.
    »So etwas möchte ich jetzt nicht von dir hören, Nobby«, erwiderte Colon streng.
    »Entschuldige, Feldwebel.«
    »Bei solch einer Gelegenheit sollte ein Mann an seine unsterbliche Seele wie-sah-wie des mächtigen, endlosen Stroms der Geschichte denken. Das würde ich tun, wenn ich du wäre, Nobby«
    »Einverstanden, Feldwebel. Ich denke daran. Wie ich sehe, ist schon jemand da, Feldwebel.«
    An einer Mauer wuchs ein Fliederstrauch. Besser gesagt: Irgendwann einmal war dort ein Fliederstrauch gepflanzt worden, und im Lauf der Zeit hatten sich Hunderte von geschmeidigen Schösslingen gebildet, was den Strauch in ein Dickicht verwandelte. Jeder Zweig trug malvenfarbene Blüten.
    Inmitten der wuchernden Vegetation waren die Gräber gerade noch zu erkennen. Vor ihnen stand Treibe-mich-selbst-in-den-Ruin Schnapper, der am wenigsten erfolgreiche Geschäftsmann von Ankh-Morpork. Er trug eine Fliederblüte am Hut.
    Er bemerkte die Wächter und nickte ihnen zu. Sie erwiderten den Gruß. Schweigend blickten sie auf die sieben Gräber hinab. Nur eins von ihnen war gepflegt. Dort glänzte ein völlig moosfreier Grabstein, der Rasen war kurz geschnitten, die steinernen Kanten makellos.
    Die hölzernen Gedenktafeln der anderen Gräber waren von Moos bewachsen, doch beim mittleren war es weggekratzt worden, sodass ein Name zu lesen war:
     
    JOHN KEEL
     
    Darunter hatte jemand mit großer Sorgfalt folgende Worte ins Holz geritzt:
     
    Wie fliegen sie nach oben
     
    Ein großer Kranz aus Fliederblüten, geschmückt mit einem violetten Band, ruhte auf dem Grab. Und darauf, ebenfalls von einem violetten Band umschlungen, lag ein Ei.
    »Frau Palm, Frau Battye und einige der Mädchen waren früher hier«, sagte Schnapper. »Und Madame denkt natürlich immer an das Ei.«
    »Es ist nett, dass sie sich immer daran erinnern«, meinte Feldwebel Colon.
    Wieder schwiegen die drei Männer, denn sie waren nicht mit einem Vokabular für solche Gelegenheiten ausgestattet. Schließlich fühlte sich Nobby verpflichtet, etwas zu sagen.
    »Er gab mir einmal einen Löffel«, teilte er der Welt mit.
    »Ja, ich weiß«, sagte Colon.
    »Mein Vater stahl ihn mir, als er aus dem Gefängnis kam, aber es war mein Löffel«, beharrte Nobby. »Das bedeutet einem Jungen viel, ein eigener Löffel.«
    »Außerdem war er der Erste, der mich zum Feldwebel ernannte«, meinte Colon. »Später bin ich natürlich wieder degradiert worden, aber ich wusste, dass ich es erneut schaffen konnte. Er war ein guter Polizist.«
    »Er kaufte eine Pastete von mir«, sagte Schnapper. »Hatte gerade erst mit dem Geschäft begonnen. Er aß sie
ganz.
Spuckte
nichts
aus.« Wieder

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