Die Nachtwächter
stand mit dem Flieder in Verbindung, vereinte den Duft mit dem Lied. Mumm hielt inne und fühlte sich schuldig.
Er schrieb die letzten Worte des Briefes, als jemand an die Tür klopfte.
»Bin fast fertig!«, rief er.
»Ich binf, Herr«, sagte Obergefreiter Igor und sah herein. »Igor, Herr«, fügte er hinzu.
»Ja, Igor?«, erwiderte Mumm und fragte sich nicht zum ersten Mal, warum jemand mit Nähten überall am Kopf darauf hinweisen musste, wer er war. 1
»Ich wollte nur fagen, daff ich den jungen Starkimarm wieder auf die Beine bringen könnte, Herr«, sagte Igor ein wenig vorwurfsvoll.
Mumm seufzte. Igors Gesicht offenbarte Sorge und Enttäuschung. Man hatte ihn daran gehindert, sein… Gewerbe auszuüben. Er war von Natur aus enttäuscht.
»Darüber haben wir bereits gesprochen, Igor. Es geht nicht darum, ein abgetrenntes Bein wieder anzunähen. Und überhaupt sind die Zwerge strikt gegen so etwas.«
»Es ift überhaupt nichtf Übernatürlichef daran, Herr. Ich bin ein Mann der Naturphilofophie! Und er war noch warm, alf man ihn brachte…«
»Du kennst die Regeln, Igor. Trotzdem vielen Dank. Wir wissen, dass du das Herz am rechten Fleck hast…«
»
Fie
find an den richtigen
Flecken,
Herr«, sagte Igor missbilligend.
»Genau das meine ich«, entgegnete Mumm, ohne sich etwas anmerken zu lassen.
»Oh, na gut, Herr«, sagte Igor und gab sich geschlagen. Er zögerte kurz, bevor er fragte: »Wie geht es Ihrer Ladyschaft, Herr?« Mumm hatte damit gerechnet. Es war eine schreckliche Sache, aber seine Vorstellungskraft hatte ihm bereits die Möglichkeit dargeboten, dass Igor und Sybil im gleichen Satz auftauchten. Was nicht heißen sollte, dass er Igor ablehnend gegenüberstand. Ganz im Gegenteil. Ohne Igors genialen Umgang mit der Nadel wäre so mancher Wächter nicht mehr auf den Straßen der Stadt unterwegs gewesen. Aber…
»Gut«, sagte Mumm abrupt. »Es geht ihr gut.«
»Wie ich hörte, war Frau Zufrieden ein wenig besorgt…«
»Igor, es gibt da einige Dinge… Äh, weißt du
irgendetwas
über Frauen und Babys?«
»Nicht in dem Finne, Herr, aber wenn ich etwaf auf der Platte liegen habe und ordentlich darin kramen kann, werde ich mit allem fertig…«
An dieser Stelle streikte Mumms Vorstellungskraft.
»Danke, Igor«, brachte er hervor, ohne dass seine Stimme zitterte. »Frau Zufrieden ist eine sehr erfahrene Hebamme.«
»Wie du meinft, Herr«, erwiderte Igor mit Zweifel in jedem Wort.
»Und jetzt muss ich gehen«, sagte Mumm. »Ein langer Tag wartet auf mich.«
Er lief die Treppe hinunter, gab den Brief Feldwebel Colon und nickte Karotte zu. Mit langen Schritten gingen sie in Richtung Palast.
Als sich die Tür geschlossen hatte, sah einer der Wächter von seinem Schreibtisch auf. Er war bisher bemüht gewesen, einen Bericht zu schreiben und, typisch für Polizisten, darin die Dinge zu erwähnen, die eigentlich hätten geschehen sollen.
»Feldwebel?«
»Ja, Korporal Fing?«
»Warum tragen einige von euch violette Blumen, Feldwebel?«
Die Atmosphäre im Wachraum veränderte sich auf subtile Weise – viele aufmerksam lauschende Ohren saugten alle Geräusche ab. Keiner der Wächter an den Tischen schrieb mehr.
»Ich meine, ich erinnere mich daran, dass du letztes Jahr eine solche Blume getragen hast, so wie Reg und Nobby, und ich habe mich gefragt, ob man das von uns allen erwartet…« Fing sprach nicht weiter. Colons normalerweise freundlich blickende Augen waren zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen und verkündeten: Du stehst auf dünnem Eis, Junge, und unter dir knackt es…
»Ich meine, unsere Hauswirtin hat einen Garten, und dort könnte ich mir leicht eine Blume besorgen…«, fuhr Fing fort, bestrebt, Selbstmord zu begehen.
»Du würdest heute eine Fliederblüte tragen?«, fragte Colon leise.
»Ich meine nur, wenn du Wert darauf legst, könnte ich gehen und…«
»Warst du dabei?«, fragte Colon und stand so plötzlich auf, dass sein Stuhl umfiel.
»Immer mit der Ruhe, Fred«, murmelte Nobby.
»Ich wollte nicht…«, begann Fing. »Ich meine… Ob ich
wo dabei
war, Feldwebel?«
Colon beugte sich über den Schreibtisch, bis nur noch wenige Zentimeter sein rundes, rotes Gesicht von Fings Nase trennten. »Wenn du nichts über das Wo weißt, kannst du auch nicht dabei gewesen sein«, sagte er noch immer leise. Dann richtete er sich wieder auf. »Nobby und ich haben jetzt etwas zu erledigen«, fügte er hinzu. »Rühren, Fing. Wir
ge
h
en
jetzt.«
»Äh…«
Dies war kein
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