Die Nachtwanderin
willst, du wirst es noch früh genug erfahren", sagte der Fremde und kapitulierte damit.
"Wenn du nichts dagegen hast, würde ich dich gerne noch bis nach Hause begleiten, nur um sicher zu sein, dass dir nichts mehr passiert", bot der Fremde ihr an. Mimma hatte nichts dagegen und willigte ein. Auch wenn sie den Fremden nicht kannte, fühlte sie sich in seiner Gegenward dennoch sicher und aufgehoben.
Sie verließen die Gasse und traten auf die Straße, die mit den hellen Lichtern der Reklametafeln und der Straßenbeleuchtung überflutet wurde.
"Hier, das ist doch deine Handtasche", sagte der Fremde und reichte sie Mimma. Sie nahm die Handtasche an sich. Erst jetzt im hellen Licht sah sie, wie unglaublich gutaussehend der unbekannte Retter an ihrer Seite war. Sie liefen stumm nebeneinander her, während Mimma ihn aus ihren Augenwinkeln betrachtete. Er war geradezu atemberaubend schön. Er hatte perfekte, markante Gesichtszüge und er war ein großer Mann, an dem sämtliche Proportionen perfekt zu sein schienen. Seine Lippen waren voll und wohl geformt. Der Amorbogen hatte den perfekten Schwung. Wenn man eine mathematische Formel dafür hätte aufstellen können, wäre sein Gesicht das Paradebeispiel für den Innbegriff der männlichen Schönheit gewesen. Mimma wurde rot, weil sie nicht aufhören konnte ihn anzustarren. Sie wusste selbst, dass sie sich in den letzten Jahren zu einer echten Schönheit gemausert hatte, aber ob ihm ihre Schönheit genauso ins Auge fiel wie ihr seine, vermochte sie nicht zu sagen. Selbst nachts waren die Straßen der Millionenstadt belebt. Sie wunderte sich, dass keiner außer der Fremde ihre Hilferufe aus der Gasse vernommen hatte. Viele Menschen kreuzten ihren Weg und immer sah sie dieselbe Reaktion bei den Menschen, wenn sie den Fremden erblickten. Egal ob es Männer oder Frauen waren. Alle starrten ihn mit offenem Mund und großen Augen an. Das bestätigte Mimma zumindest ihre eigene Einschätzung, dass der Fremde wirklich außergewöhnlich schön war. Mimma versuchte sich auszumalen, was die Leute dachten, wenn sie sie neben dem hübschen Mann sahen. Entweder mussten sie sich denken, dass die Beiden ein hübsches Paar abgeben würden, oder, dass Mimma mit der Schönheit des Mannes überhaupt nicht mithalten konnte. Eigentlich mangelte es Mimma nie an Selbstbewusstsein. Sie hatte einen schönen schlanken Körper, den man vorzeigen konnte und ein überdurchschnittlich gutes Aussehen, doch neben dem Fremden war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie noch gut abschnitt. Dem Unbekannten schien die Aufregung um Mimma und ihm überhaupt nicht aufzufallen. Er lief durch die Menschen hindurch, als ob sie nicht da waren. Er wirkte völlig abwesend. Seine Haut sah so zart, blass und weich aus, wie die eines Neugeborenen. Unwillkürlich strich sich Mimma mit einer Hand über ihre Wange, um zu testen, ob ihre Haut so weich war, wie die Haut des Fremden aussah. Sonst hatte sie sich nie Gedanken über ihre Haut gemacht. Sie war stets rein und sah frisch und gesund aus. Sie ärgerte sich ein wenig über sich selbst, dass sie sich von der bloßen Erscheinung des Fremden, so verunsichern ließ. Die Menschenmassen um sie herum nahmen immer mehr ab, bis ihnen niemand mehr entgegen kam.
Sie bogen in eine ruhige Straße ab, in der keine Autos fuhren. Dann blieb Mimma vor der Haustür eines renovierungsbedürftigen Altbaus stehen.
"So, hier wohne ich.
Danke für ihre Begleitung.
Vielleicht sieht man sich mal wieder.
Ich arbeite fast täglich in der Bar bei der Sackgasse", sagte Mimma verabschiedend und wollte gerade den Schlüssel ins Schloss stecken, als der Fremde sie am Arm festhielt. Erschrocken riss sie sich von ihm los. Was er wohl von ihr wollte?
"Du bist mir einen Gefallen schuldig", sagte er dann und sah ihr bestimmend in die Augen. Das hätte sich Mimma ja denken können. So ein Schönling wie der tut doch nichts, wenn er nicht glaubt selbst etwas davon zu haben. Und schon schmiss sie ihr erstes Bild vom Ritter in der weißen Rüstung, was sie von dem Fremden hatte, um. Wie das Sprichwort besagte, der Erste Eindruck kann täuschen.
"Es gibt nur noch wenige Menschen, die einem helfen, ohne etwas dafür als Gegenleistung zu erwarten und der Schönling gehörte definitiv nicht dazu", dachte sich Mimma.
"Was für einen Gefallen?", fragte sie skeptisch.
"Hier ist meine Karte mit meiner Nummer", sagte er und reichte Mimma eine Visitenkarte. Sie nahm sie entgegen.
"Was soll ich damit?", fragte sie.
"Bitte
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