Die Nachtwanderin
nicht die Kontrolle zu haben. Dadurch, dass sie so jung schon auf sich selbst gestellt war, musste und wollte sie sich ohne Hilfe durch das Leben schlagen und das gefiel ihr. Um ihr Leben erträglicher zu gestalten und um stets die Kontrolle zu behalten, stellte sie sich selbst einige Regeln auf und eine besagte, dass sie niemals die Hilfe eines anderen annehmen dürfe, da die meisten Menschen dafür wiederum eine Gegenleistung erwarteten. Und weil sie eben genau diese Regel gebrochen hatte, befand sie sich nun in dieser misslichen Lage und der dadurch hervorgerufene Kontrollverlust traf sie schwer. Doch hätte der Fremde ihr nicht geholfen und sie gerettet, wäre sie vermutlich tot.
Das Geräusch der Tür, wie es ins Schloss rastete, holte sie wieder aus ihrem tranceartigen Zustand. Sie befand sich bereits im Hotelzimmer. Es war dürftig mit einem Doppelbett, einem hölzernem Tisch samt Stuhl und einem kleinen Holzschränkchen ausgestattet. Es gab auch noch ein extra Badezimmer mit WC und einer Nasszelle. Saubere Handtücher, Shampoo, Duschgel und ein Stück Seife zur Reinigung waren bereit gestellt, damit man sich nach dem Sex die Sünden vom Körper waschen konnte. Das Bett selbst machte auch einen sauberen Eindruck. Für das, was auf Mimma zu kam, war es ausreichend. Der Fremde hatte sich bereits seines Mantels entledigt und diesen fein säuberlich über die Lehne des Stuhls gelegt. Er trug ein enges, dunkelgraues T-Shirt ohne Aufdruck. Zum ersten Mal konnte Mimma nun sehen und erahnen wie gut gebaut und Muskulös er war. Sich gegen ihn zu wehren, wäre also Zwecklos gewesen. So wie er da stand, mit all seinen Muskeln und seinen langen Haaren, hatte er etwas Hünenhaftes an sich. Er wirkte wie ein Krieger, aus einer anderen Zeitepoche. Wieder machte sich dieses warme und freundliche Lächeln in seinem Gesicht breit, dasselbe, das er Mimma zur Begrüßung geschenkt hatte. Er kam auf sie zu, nahm ihre Hand, die reglos an der Seite ihres Körpers hing und zog sie von der Zimmertür weg, zum Bett hin. Er streifte ihr die Kapuze vom Kopf, öffnete behutsam jeden einzelnen Knopf ihres Mantels und zog ihn ihr aus. Dann hängte er den Mantel in das Badezimmer, da dieser vor Regenwasser nur so triefte. Als er aus dem Bad zurück kam, stand Mimma wieder an der Zimmertür und blickte verschüchtert und verängstigt auf den Fußboden. Ihr Atem war flach. Ihr wurde schwindelig.
"Ich...ich kann das nicht.
Tut mir leid.
So etwa habe ich noch nie gemacht.
Also Sex schon, aber nicht so, als ob ich eine Hure wäre und wenn ich es mir recht überlege, war ich noch nie nüchtern dabei.
Entweder war ich high von den Drogen oder betrunken vom Alkohol, oder beides....
Außerdem schlafe nicht mit verheirateten Männern", stotterte Mimma verunsichert vor sich hin und hoffte den Fremden damit überzeugen zu können, von seinem Vorhaben abzulassen. Der Fremde war zuerst überrascht über das, was Mimma zu ihm sagte, doch dann amüsierte es ihn. Er betrachtete Mimma bedächtig und prägte sich jedes Detail von ihr ein. Sie hatte langes, leicht gewelltes, schwarzes Haar, welches sie mit einem Mittelscheitel trug, das weich über ihre Schultern fiel und lang genug war, um ihre Brüste zu bedecken. Sie hatte große Kulleraugen, wie die einer Puppe, die in einem tiefen blau gefärbt waren, welche wiederum von langen pechschwarzen, büschelartigen Wimpern umrahmt waren. Man konnte sich geradezu in diesen Augen verlieren. Ihr Mund war klein, doch bestand er aus vollen blutroten Wülsten, die jeden Mann zu Fantastereien anregten, gar einluden. Der Fremde setzte sich an den Rand des Bettes.
"Komm her und stell dich vor mich hin!", forderte er Mimma plötzlich unversehens auf und musterte sie mit einem strengen Blick. Mimma sah vom Fußboden auf. Bei der härte seines Blickes erschrak sie und wendete ihre Augen wieder ab. Sie schluckte nervös und überlegte, was sie tun konnte, um dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Langsam führte sie einen Arm hinter ihren Rücken und tastete so unauffällig wie möglich nach der Türklinke. Doch der Fremde schien nicht dumm zu sein und bemerkte es.
"Versuche es ruhig, doch so etwas dachte ich mir schon, deswegen habe ich die Tür abgesperrt, ohne dass du es gemerkt hast", sagte der Fremde ruhig und machte eine gönnerhafte Handbewegung, um Mimma anzudeuten, dass sie die Türklinke runter drücken soll. Hastig drehte sie sich um und rüttelte mehrmals an der Türklinke. Es tat sich nichts. Die Tür war tatsächlich
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