Die Nachzüglerin (German Edition)
ich lauter.
"Alexej, du liegst im falschen Bett."
Langsam kam er zu sich.
"Lass mich in Ruhe", murmelte er und drehte sich zur
Seite.
"Nein, ich lasse dich nicht in Ruhe."
Ich wollte ihn aus dem Bett schieben. Er kam zu sich:
"Bist du verrückt geworden?"
"Ich will, dass du gehst. Du liegst neben mir und
sprichst mit Anna im Schlaf."
"Da kann ich doch nichts dafür."
Er musste grinsen, aber als er sah, dass ich ihn
rausschmeißen wollte, lenkte er ein.
"Bitte, Franka. Es tut mir leid."
"Du gibst vor, für die Erniedrigten und Beleidigten zu
kämpfen. Dabei bist du selber das Letzte. Du spielst
hier den Unschuldigen, der sich aus Versehen zwei
Frauen eingetreten hat. Weiß Anna eigentlich, dass du
fast jede Nacht bei mir verbringst?"
"Ich spiele nicht, Franka. Ich hatte nicht den Eindruck,
dass du mich nicht haben willst."
Er zog mich an sich.
"Ich gehe jetzt."
Ich presste meinen Kopf an seine haarlose Brust.
"Ja, geh fort."
Ich umschloss mit dem Mund seine rechte Brustwarze
und begann daran zu saugen wie ein Neugeborenes. Er
strich mir übers Haar und brummte mir Beruhigungsformeln zu. Dann zog ich ihn unter die Bettdecke. Wir
liebten uns, ohne einander anzusehen. Ich sah eine
Frau, die ich gar nicht kannte. Sie hatte lange Haare
wie ich, aber sie waren dichter und dunkler. Die Frau
war schön und traurig. Später blickte ich zur Decke.
Gütig sah sie von dort auf mich herab.
"Ich brauche keine anderen Frauen in meinem Bett
und auch nicht in meinem Zimmer und erst recht
nicht in meiner Beziehung", dachte ich und drehte
mich weg. Ich kehrte Alexej meinen Rücken zu. Zum
ersten Mal, seitdem wir uns kannten, fühlte ich meine
Haut nicht zu seiner hingezogen, sondern von ihr
abgestoßen.
"Franka", Alexej sprach mich aus dem Dunkel an.
Weil ich die andere Frau im Raum wahrnahm,
fürchtete ich, dass er wieder anfangen würde zu
weinen. Ich sagte das Schwerste, obwohl es mir leicht
fiel.
"Du wirst sie wiedersehen, Alexej. Ich liebe dich
trotzdem."
Endlich konnten wir einschlafen.
Am frühen Morgen weckte er mich: "Möchtest du
aufstehen?"
Seine nassen Locken lagen eng am Kopf, so dass er
fremd aussah. Sein Gesicht war plötzlich so groß und
ernst.
"Nein, ich möchte, dass du wieder zu mir kommst",
murmelte
ich.
Eigentlich
wollte
ich
einfach
weiterschlafen. Aber mir fiel die andere Frau wieder
ein. Ich wollte sie nicht wieder spüren. Noch halb
betäubt ging ich zum Tisch, auf dem schon zwei Teller
und zwei Tassen standen. Ich setzte mich auf einen der
beiden noch freien Stühle. Alexej schenkte mir Kaffee
ein. Der Augenblick schien nur im Zeitlupentempo zu
vergehen. Alexejs rechte Hand stellte mir die Tasse
hin. Nicht ihn liebte ich, sondern diese Hand. Sie
konnte stark und zärtlich sein. Aber das war es nicht.
Ihre Schönheit war nicht an eine Tätigkeit wie Klavierspielen oder Holzhacken gebunden. Immer würde ich
sie vor mir sehen. Ich würde mir mein ganzes Leben
lang wünschen, ihre Adern hervortreten zu sehen wie
heute, als sie mir den Kaffee hinstellte. Abhacken
sollten sie sie ihm und ihm die Hand eines anderen
Mannes oder einer anderen Frau annähen. Nur damit
ich sie bei mir haben könnte, um mich von ihr
bedienen und streicheln zu lassen. Nur um diesen
Augenblick behalten zu können.
Ich sah Alexej in die Augen. Sie blickten arglos.
"Für wen ist der freie Stuhl am Tisch?", fragte ich ihn,
als wüsste ich die Antwort längst und wollte sie nur
noch aus seinem Munde hören. Ich war froh, dass er
nicht antwortete. Ich war froh, dass er nicht sagte:
"Der Stuhl ist natürlich für Anna. Was denkst du
denn?" Er aß Marmeladebrote und trank Kaffee. Mir
war der Appetit vergangen.
"Warum schaust du mich so an?"
"Ich filme dich."
"Franka, sei nicht komisch."
"Ich bin doch nicht komisch", sagte ich. "Ich habe nur
Lust, diesen Stuhl zu zerhacken, schließlich ist es mein
Stuhl. Ich werde dafür sorgen, dass niemand anderes
darauf sitzen kann. Weder deine Insa noch deine
Anna."
Obwohl ich den Stuhl mit aller Gewalt auf den Boden
hämmerte, ging er nicht kaputt, aber es krachte laut.
Alexej stand auf, um zu gehen, ließ sich jedoch Zeit.
Er achtete genau darauf, alles mitzunehmen, was ihm
gehörte. Ich blieb mitten im Zimmer stehen. Als er
weg war, sah ich zum Fenster. Eine graublaue Taube
saß auf dem Sims. Sie hatte sich eng an die Scheibe
geschmiegt.
"Bist du doch da?", fragte ich sie.
Als ich mich ihr näherte, flog sie nicht weg. Das
musste Anna sein, die ihm aus Sibirien hinterher
geflogen war. "Alexej gehört
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