Die nächste Begegnung
muss in aller Fairness sagen, dass unsere Gastgeber stets korrekt auf unsere Wünsche eingingen. Zwar konnten wir so ganz allgemein die wesentlichen chemischen Bestandteile darstellen, die unser Körper benötigte, aber keiner von uns hatte sich je eingehender mit dem komplexen Biochemismus befasst, der in Gang kommt, wenn wir etwas schmecken. In diesen frühen Tagen war Essen eine Überlebensnotwendigkeit, aber niemals ein Vergnügen. Manchmal fiel es uns schwer, ja war fast unmöglich, die >Pampe< zu schlucken. Und mehr als einmal würgten wir die Mahlzeiten wieder hinaus.
Fast einen ganzen Tag lang diskutierten wir drei das Für und Wider der >Großen Exkursion<. Ich war im Stadium der schwangerschaftsbedingten >Magenverstimmungen< und fühlte mich ganz und gar unwohl. Und obwohl mir die Vorstellung, ganz allein hier in unserem Bau zu bleiben, überhaupt nicht behagte, während die beiden Männer über das Eis zogen, den Rover aufspürten, über die Zentralebene fuhren und dann die vielen Kilometer bis zum Alpha-Relais hinaufkletterten oder im Lift fuhren, aber ich musste zugeben, dass sie einander in vieler Hinsicht würden helfen können. Und ich gab ihnen natürlich recht: Ein Solotrip wäre einfach sträfliche Tollkühnheit gewesen.
Richard war ziemlich fest davon überzeugt, dass der Rover noch einsatzbereit sein würde, war aber weniger optimistisch beim Sessellift. Wir diskutierten ziemlich lang darüber, wie stark das Militärschiff der Newton-Expedition beschädigt sein könnte, da es ja außerhalb Ramas den Nuklearfeuern ausgesetzt gewesen war, die außerhalb des schützenden Netzschildes ausgebrochen waren. Richard schloss aus der Tatsache, dass keine sichtbaren Beschädigungen der Schiffsstruktur festzustellen waren (er benutzte unseren Einstieg in den Output der ramanischen Sensoren, und wir konnten den Militärtrakt des Newton-Schiffs mehrfach im Verlauf der letzten Monate auf dem schwarzen Schirm sehen) , es möglich sei, dass Rama selbst unabsichtlich das Schiff gegen sämtliche Nuklearexplosionen abgeschirmt haben könne und dass es demzufolge vielleicht auch im Schiffsinneren keine Strahlenschäden gegeben habe.
Ich sah die Sache optimistischer. Ich hatte mit den Environment-Technikern an der Abschirmung des Raumschiffs zusammengearbeitet und wusste eigentlich ganz gut Bescheid, was die Strahlungsempfindlichkeit sämtlicher Teilsysteme der Newton angeht. Ich war zwar der Meinung, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit die wissenschaftliche Datenbasis noch intakt sein werde (sowohl die Prozessoren wie sämtliche Speichereinheiten waren aus strahlungsgehärteten Teilen gefertigt worden), aber ich war doch praktisch sicher, dass der Proviant kontaminiert sein müsse. Uns allen war bekannt, dass unsere Nahrungsvorräte an einem relativ ungeschützten Platz gelagert waren. Vor dem Start hatte jemand sogar Bedenken geäußert, dass ein unvorhergesehenes Aufflammen der Sonnenkorona genug Strahlung verstreuen könnte, dass die Nahrungspacks nicht mehr zum Verzehr geeignet sein würden.
Vor dem A ll einsein für die paar Tage oder eine Woche, die >meine< Männer für den Ausflug zum Militärschiff und zurück benötigen würden, fürchtete ich mich nicht. Mir bereitete es weit größere Sorgen, dass vielleicht einer oder alle beide nicht mehr zurückkehren würden. Das hatte nicht etwa bloß mit den Oktarachniden zu tun oder mit irgendwelchen anderen fremdartigen Geschöpfen, die in dem gigantischen Raumschiff möglicherweise neben uns hausen mochten. Es gab auch gewaltige Unsicherheitsfaktoren, was unsere Umgebung betraf, die in Erwägung zu ziehen waren. Was war, wenn Rama plötzlich wieder eine Kursänderung vornahm? Und was, wenn sich andere unvorhergesehene Umstände einstellten und sie es nicht mehr bis nach New York zurück schafften?
Richard und Michael versicherten mir, dass sie kein unnötiges Risiko eingehen würden, dass sie nichts weiter unternehmen würden, als zum Militärschiff zu gelangen und dann wieder zurück. Aufgebrochen sind sie dann kurz nach Anbruch der Dämmerung unsres achtundzwanzigstündigen Rama- Tages. Es war das erste Mal, dass ich wieder völlig allein war — seit meinem langen, einsamen Aufenthalt in New York, als ich in die Grube fiel. — Aber natürlich war ich gar nicht wirklich allein ... ich fühlte ja doch, wie Simone in meinem Bauch herumstrampelte. Es ist ein verwirrendes, bestürzendes Gefühl, wenn man ein Baby im Bauch trägt. Ich kann es nicht beschreiben,
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