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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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Kaffee trinken, während Reg uns seine Geschichte erzählt?«
    »Ich setze eine Kanne auf, Prof«, bot Timothy an.
    »Also, was ist passiert, Reg?«, fragte Martin. »Ich dachte, du schläfst heute Nacht in einem Federbett, nicht in dieser Rostschüssel hier.«
    »Hat ein bisschen Stress gegeben, Kumpel«, erwiderte Reg. »Aber nichts, was mich überfordert hätte.« Er drehte sich eine Zigarette und leckte das Papier an.
    »Nichts, was dich überfordert hätte?«, fragte Beatrice spöttisch. »Bist du getürmt, weil sie nochmal wollte?« Sie machte einen Hüftschwung wie eine Varietétänzerin, worauf alle, selbst Atwood, auf Reggies Kosten laut johlten.
    »Sehr komisch«, sagte Reggie. »Ihr Mann ist zu früh nach Hause gekommen, und ich musste mich zurückziehen, um eine unangenehme Begegnung zu vermeiden.«
    »Ich frage mich nur, Mr. Saunders«, warf Dennis mit gespieltem Respekt vor dem Älteren ein, »war Ihr Hintern bei diesem Rückzug bedeckt oder nicht bedeckt?«
    Wieder brachen alle in Gelächter aus. Atwood zog ein paar Mal an seiner Pfeife und sagte nachdenklich: »Das ist eine ziemlich unangenehme Vorstellung.«
     
    Der Wintermorgen brachte sogar ein paar Schneeflocken, sodass der Boden aussah wie mit Salz bestreut. Ernest war ein ausgezeichneter Koch und brachte es fertig, mit zwei Gaskochern ein komplettes Frühstück für sieben Personen zuzubereiten. Sie saßen auf Milchkästen um das Feuer, trugen mehrere Pullover übereinander und wärmten sich an den dampfenden Tassen voll süßem Tee die Hände. Atwood biss in ein dreieckiges Stück Toastbrot, das er in Eigelb getaucht hatte, blickte über das gefrorene Feld auf die eisige See und sagte: »Wer ist eigentlich auf die Idee gekommen, im Januar eine Ausgrabung anzufangen?«
    Ein warmer Sommermorgen oder ein frischer Herbsttag wäre passender gewesen, aber sie alle waren begeistert, dass sie überhaupt hier sein konnten, unabhängig von der Jahreszeit oder dem Wetter. Erst gestern, so schien es ihnen, hatten sie noch mitten im Krieg gesteckt und davon geträumt, wie schön es wäre, auf einer friedlichen Insel archäologische Forschungen anstellen zu können. Deshalb hatte Atwood, kaum dass er vom British Museum 300 Pfund Fördermittel erhalten hatte, in aller Eile eine Ausgrabung organisiert, ohne sich um den Winter zu scheren.
    Reggie war der Grubenmeister bei der Ausgrabung. Er warf einen Blick auf seine Uhr, stand auf und rief mit seiner besten Feldwebelstimme: »So, Jungs, legen wir los! Wir müssen heute noch einen Haufen Erde umschichten.«
    Timothy deutete mit ausgestrecktem Arm auf Beatrice und fragte lautlos: »Jungs?«
    »Du hast recht«, sagte Reggie, während er seine Ausrüstung einsammelte. »Ich entschuldige mich. Sie ist viel zu alt, als dass ich sie als jung bezeichnen kann.«
    »Halt den Mund, du jämmerlicher Wichser«, sagte sie.
     
    Atwoods Ausgrabungsstätte befand sich in einer Ecke des Klostergeländes, weitab von den Hauptgebäuden. Der Lordabt, Dom William Scott Lawlor, ein ruhiger Kleriker mit einer Vorliebe für Geschichte, hatte der Gruppe aus Cambridge zuvorkommend erlaubt, ihr Lager auf dem Klostergelände aufzuschlagen. Atwood wiederum hatte den Abt eingeladen, gelegentlich vorbeizuschauen und sich über den Fortgang der Arbeiten berichten zu lassen. Am Samstag zuvor war Lawlor sogar in Jeans und Anorak aufgetaucht und hatte eine Stunde lang mit einer Maurerkelle einen Quadratmeter Boden freigescharrt.
    Das Grabungsteam zog von seinem Lagerplatz über das Feld, als die Glocken der Kathedrale zur Neunuhrmesse und zur Terz läuteten. Kreischende Möwen kurvten über ihnen dahin, und in der Ferne wogte das stahlblaue Wasser des Solents. Im Osten ragte der prachtvolle Turm der Kathedrale in den strahlend blauen Himmel empor. Auf der anderen Seite der Felder zogen winzige Gestalten, Mönche in ihren dunklen Kutten, von ihren Wohngebäuden zur Kirche. Atwood blinzelte in die Sonne, betrachtete die Mönche und bewunderte ihre Zeitlosigkeit. Hätte er vor tausend Jahren an der gleichen Stelle gestanden, wäre der Anblick wohl fast derselbe gewesen.
    Die Ausgrabungsstätte war säuberlich mit Pflöcken und Schnüren abgesteckt. Sie umfasste ein Geviert von 40 mal 30 Metern, von dem die fruchtbare braune Erde mit Gras und Mutterboden schon abgetragen war. Von weitem erkannte man, dass die Stelle in einer Senke lag, etwa einen Meter tiefer als das Feld rundum. Diese Vertiefung hatte Atwoods Interesse geweckt, als er das

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