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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Cooper
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weiter. »Nur in einem Fall, eine zweiunddreißgjährige Latina, Consuela Pilar Lopez, auf Staten Island. Sie wurde vergewaltigt und erstochen.«
    »Wenn wir in der Bronx fertig sind, möchte ich dort anfangen.«
    »Wieso?«
    »An der Art und Weise, wie er mit einer Frau umspringt, kann man allerhand über einen Mörder erfahren.«
    Sie waren jetzt auf dem Bruckner Expressway und fuhren in Richtung Osten durch die Bronx.
    »Wissen Sie, wohin wir müssen?«, fragte er.
    Sie fand es in ihrem Notizbuch. »Sullivan Place Nummer 447.«
    »Besten Dank! Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo das ist«, knurrte er. »Ich weiß, wo das Stadion der Yankees ist. Ansonsten kenne ich mich in der beschissenen Bronx nicht aus.«
    »Fluchen Sie bitte nicht«, sagte sie streng wie eine Mittelschullehrerin. »Ich habe einen Stadtplan.« Sie faltete ihn auf, studierte ihn einen Moment lang und blickte sich um. »Wir müssen auf den Bruckner Boulevard abbiegen.«
    Schweigend fuhren sie eine Meile. Er wartete darauf, dass sie ihren Vortrag fortsetzte, aber sie starrte mit versteinerter Miene auf die Straße.
    Schließlich blickte sie zu ihm herüber, und er sah, dass ihre Unterlippe bebte. »Was ist? Sind Sie etwa wegen meiner Ausdrucksweise sauer auf mich, verflucht nochmal?«
    Sie schaute ihn nachdenklich an. »Sie sind anders als John Mueller.«
    »Meine Güte«, versetzte er. »Hat es wirklich so lange gedauert, bis Sie das merken?«
    Als sie auf der East Tremont Avenue nach Süden fuhren, kamen sie am 45. Polizeirevier an der Barkely Avenue vorbei, einem hässlichen Flachbau mit zu wenigen Parkplätzen für die zahlreichen Streifenwagen, die dort herumstanden. Es war fast 26 Grad warm, und auf der Straße wimmelte es von Puerto Ricanern, die Plastiktüten trugen, Kinderwagen schoben oder einfach spazieren gingen, Handys ans Ohr drückten, in Lebensmittelgeschäften, Bodegas und billigen Tante-Emma-Läden ein und aus gingen. Die Frauen zeigten jede Menge nacktes Fleisch. Zu viel übergewichtige Weiblichkeit in Trägertops, ultrakurzen Shorts und Flip-Flops für Wills Geschmack. Glaubten die wirklich, sie sähen scharf aus? Dagegen wirkte seine Beifahrerin wie ein Supermodel.
    Nancy war in den Stadtplan vertieft und versuchte sich zurechtzufinden. »Die dritte links«, sagte sie.
    Sullivan Place war eine denkbar ungünstige Straße für eine Mordermittlung. Streifenwagen, zivile Polizeifahrzeuge und Kleinbusse der Spurensicherung standen in zweiter Reihe vor dem Tatort und hielten den Verkehr auf. Will fuhr zu einem jungen Cop, der eine Fahrbahn freizuhalten versuchte, und zeigte ihm seine Dienstmarke. »O Mann«, ächzte der Cop. »Ich weiß nicht, wo ich Sie unterbringen soll. Können Sie um den Block fahren? Vielleicht ist um die Ecke etwas frei.«
    Will äffte ihn nach. »Um die Ecke.«
    »Ja, um den Block, Sie wissen schon, zweimal rechts.«
    Will stellte den Motor ab, stieg aus und warf dem Cop die Schlüssel zu. Autofahrer hupten wie verrückt, und sofort entstand ein Stau. »Was machen Sie da?«, brüllte der Cop. »Sie können den Wagen nicht einfach stehen lassen!« Nancy saß weiter auf dem Beifahrersitz, als wäre ihr das Ganze peinlich.
    »Kommen Sie«, rief Will ihr zu, »setzen wir uns in Bewegung. Und notieren Sie sich Officer Cuneos Dienstnummer in Ihrem kleinen Buch, falls er irgendwas Ungehöriges mit dem Eigentum der Regierung anstellt.«
    »Arschloch«, murmelte der Cop.
    Will war auf Streit aus, und dieser Junge kam ihm gerade recht. »Hören Sie mal zu«, sagte Will, kochend vor Wut, »legen Sie sich nicht mit mir an, wenn Ihnen etwas an Ihrem jämmerlichen Job liegt! Wenn er Ihnen scheißegal ist, dürfen Sie’s probieren. Nur zu! Versuchen Sie’s!«
    Zwei aufgebrachte Männer mit hervortretenden Adern, die einander gegenüberstanden. »Will! Können wir gehen?«, beschwor ihn Nancy. »Wir vergeuden unsere Zeit.«
    Der Cop schüttelte den Kopf, stieg in den Explorer, fuhr ihn ein Stück weiter und parkte in zweiter Reihe neben einer Zivilstreife. Will, der immer noch schwer atmete, zwinkerte Nancy zu. »Ich wusste doch, dass er einen Parkplatz für uns findet.«
    Es war ein kleines Mietshaus, zwei Stockwerke, sechs Einheiten, schmutzig weiße Ziegelmauern, in den vierziger Jahren hochgezogen. Der Flur war düster und bedrückend, ein Schachbrettmuster aus braunen und schwarzen Fliesen am Boden, schmierige beige Wände, nackte gelbliche Glühbirnen. Alles drängte sich in und um Apartment 1, Erdgeschoss

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