Die Namen der Toten
Schlüssel ist.« Will klappte die Akte zu und schob sie weg. »Das erste Opfer einer Serie hat für den Mörder besondere Bedeutung, etwas Symbolisches. Sie haben gesagt, wir sprechen heute mit seiner Frau?«
Sie nickte.
»Wird auch Zeit.«
Fall Nr. 2: Elizabeth Marie Kohler, 37 Jahre alt, Geschäftsführerin einer Duane-Reade-Drogerie in Queens. Offenbar bei einem bewaffneten Raubüberfall erschossen, von Angestellten am Hintereingang gefunden, als sie um 8.30 Uhr zur Arbeit kamen. Die Polizei nahm zunächst an, sie sei von einem Angreifer getötet worden, der sie abpasste, um sich Betäubungsmittel zu verschaffen. Irgendetwas ging schief, er schoss, sie brach zusammen, er flüchtete. Die Kugel stammte aus einer Waffe des Kalibers .38, ein Schuss aus nächster Nähe in die Schläfe. Kein Überwachungsvideo, keine verwertbaren Spuren. Die Polizei brauchte ein paar Tage, bis sie in der Wohnung des Opfers die Postkarte fand und den Zusammenhang mit den anderen Taten herstellte.
Will blickte von der Akte auf und fragte: »Okay, welche Beziehung hat ein Banker an der Wall Street zur Geschäftsführerin einer Drogerie?«
»Ich weiß nicht«, sagte Nancy. »Sie sind zwar nahezu gleichaltrig, aber wir konnten keinerlei Überschneidungen in ihren Lebensläufen entdecken. Er war auch nie in ihrer Drogerie einkaufen. Da ist nichts.«
»Wie sieht’s mit ihrem Ex-Mann, alten Freunden und Kollegen aus?«
»Die meisten von ihnen haben wir ausfindig gemacht und vernommen«, erwiderte sie. »Einen Freund aus der Highschool konnten wir allerdings bislang nicht finden. Seine Familie ist schon vor Jahren von hier weggezogen. Und ihre sämtlichen anderen Verflossenen – wenn sie kein Alibi für den Mord an ihr haben, haben sie eins für die anderen. Sie wurde vor fünf Jahren geschieden. Ihr Ex-Mann hat an dem Morgen, an dem sie erschossen wurde, einen Bus der Transit Authority gefahren. Sie war ein ganz gewöhnlicher Mensch. Sie hat ein ganz normales Leben geführt. Sie hatte keine Feinde.«
»Wenn also die Postkarte nicht wäre, wäre das ein glasklarer bewaffneter Raubüberfall, bei dem etwas schiefgegangen ist.«
»Genau so sieht es aus, oberflächlich betrachtet«, pflichtete sie bei.
»Okay, wir gehen erst mal so vor«, sagte er. »Stellen Sie fest, ob sie irgendwelche Jahrbücher aus der Highschool oder vom College hatte, und lassen Sie sämtliche Namen bei uns durchchecken. Setzen Sie sich außerdem mit ihrem Vermieter in Verbindung und besorgen Sie eine Liste mit allen derzeitigen und früheren Nachbarn aus den letzten fünf Jahren. Und die lassen Sie auch überprüfen.«
»Wird gemacht. Möchten Sie noch einen Kaffee?« Er wollte, unbedingt.
Fall Nr. 3: Consuela Pilar Lopez, 32 Jahre alt, illegale Einwanderin aus der Dominikanischen Republik, wohnte auf Staten Island, arbeitete als Putzfrau in Manhattan. Wurde kurz nach drei Uhr morgens von einer Gruppe Teenager in einem Waldstück im Arthur von Briesen Park nahe der Küste gefunden, knapp eine Meile von ihrem Haus an der Fingerboard Road entfernt. Sie war vergewaltigt worden und hatte mehrere Messerstiche in Brust, Kopf und Hals. Sie war an diesem Abend um 22 Uhr mit der Fähre aus Manhattan gekommen, was von den Betreibern der Überwachungskameras bestätigt wurde. Normalerweise hätte sie anschließend den Bus nach Süden in Richtung Fort Wadsworth genommen, war aber weder an der Bushaltestelle beim St. Georges Ferry Terminal noch im Bus der Linie 51 gesehen worden, der die Bay Street entlang zur Fingerboard Road fuhr.
Man vermutete, dass jemand sie am Fähranleger abgepasst, ihr eine Mitfahrgelegenheit angeboten und sie in die dunkle Ecke des Parks verfrachtet hatte, wo sie unter der hoch aufragenden Verrazano-Narrows Bridge den Tod gefunden hatte. Weder an noch in der Leiche fand man DNA-Spuren – offenbar hatte der Killer ein Kondom benutzt. An ihrer Bluse hingen graue Fasern, die allem Anschein nach von einem Sweatshirt stammten. Bei der Autopsie waren ihre Wunden vermessen worden. Dabei wurde festgestellt, dass die Klinge zehn Zentimeter lang gewesen sein musste und nicht identisch mit der Waffe war, mit der David Swisher getötet worden war. Lopez wohnte mit einer Schar Geschwister und Cousins – einige polizeilich gemeldet, andere nicht – in einem Zweifamilienhaus. Sie war eine gläubige Frau und ging regelmäßig zur St. Sylvester’s Church, deren entsetzte Gemeindemitglieder sich nach dem Mord zu einem Gedenkgottesdienst versammelten. Nach
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