Die Nanokriege - Die Sturmflut
versuchen. « Er sah sie einen Augenblick lang an, schlüpfte dann aus seinem Umhang und schickte sich an, ihn ihr über die Schultern zu legen.
»Du brauchst mich nicht zu verhätscheln, Herzer«, sagte sie spitz und wies den Umhang mit einer Handbewegung ab.
»Du frierst«, antwortete Herzer. »Und du hast nicht so viel Masse wie ich. Was ich trage, ist dreimal so warm wie
das, was du da anhast, und ich bin es gewohnt, zu frieren. Nimm den Umhang.«
»Jawohl, Sir«, sagte Megan und lächelte, als er ihr den Umhang über die Schultern legte. Sie schloss die Augen und fröstelte erneut, als seine Hand sie berührte. »Wir müssen reden«, fügte sie dann mit leiser Stimme hinzu.
»Ja, das müssen wir«, nickte Herzer.
»Ich … fühle mich stark zu dir hingezogen, Herzer Herrick«, sagte Megan, drehte sich um und blickte wieder über die Wellen hinaus. Sie sah sie in Wirklichkeit nicht, aber im Augenblick war es besser, in die Weite zu sehen als ihm in die Augen. »Aber … ich fühlte mich auch zu Paul hingezogen. Ich habe kein Vertrauen zu mir selbst, wenn es darum geht, mich von einem Mann angezogen zu fühlen. Verstehst du das?«
»Ja«, sagte Herzer und trat einen Schritt vor, so dass er jetzt neben ihr stand. Aber da blieb ein Respektsabstand zwischen ihnen beiden.
»Ich war … lange Zeit mit Paul zusammen«, fuhr Megan vorsichtig fort. »Oft. Es hat mir nicht gefallen. Zuerst. Später … hatte ich Spaß daran, mit ihm zusammen zu sein. Ich habe mich in ihn verliebt, Herzer, und ich musste ihn töten. Das war schwer. Sehr schwer. Und das Wissen … das Gefühl, wie unrecht es war, mich in ihn zu verlieben, in …« Sie stockte, schüttelte den Kopf.
»Den Mann, der dich vergewaltigt hat«, sagte Herzer deutlich.
»Danke, dass du mir das erklärt hast«, erwiderte sie verärgert.
»Man nennt das psychologisches Trauma«, erklärte Herzer ungerührt. »Manche Leute sind der Ansicht, man brauche nicht darüber zu reden. Starke Leute kommen einfach ›darüber hinweg‹. ›Darüber zu reden macht es bloß schlimmer. ‹ Blödsinn. Jeder, der ein psychologisches Trauma
durchmacht, es wirklich durchmacht, findet Mittel und Wege, darüber zu reden. Das ist einer der Gründe für die Abschlussbriefings nach größeren Gefechten. Der Grund für ›Schlachtenkoller‹. Und deshalb hat der Herzog dafür gesorgt, dass die Flotte – als die zum ersten Mal richtig Prügel bekommen hatte – bei ihrer Rückkehr mit einer gewaltigen Party begrüßt wurde. Die Leute kriegen eins auf die Mütze und reden . Man muss das irgendwie loswerden, indem man seinen Schmerz mit anderen teilt, selbst wenn das Leute sind, die denselben Schmerz erlitten haben. Es gibt düstere Dinge, die in den Köpfen der Menschen passieren. Jeder , der eine traumatische Situation erlebt hat, kennt das. Einer der wichtigsten Gründe, weshalb man darüber reden muss, besonders mit Leuten, die wissen, was man durchgemacht hat, Leuten, die sich in derselben Situation befunden haben oder die Reaktionen darauf studiert haben, ist es, zu erfahren, dass andere dieselben düsteren Dinge haben.« Er seufzte und zuckte dann die Achseln.
»Ich werde dir eine kleine Parabel erzählen«, sagte er und warf ihr dabei einen Blick zu.
»Wird mir die Geschichte gefallen?«, fragte Megan mit der Andeutung eines Lächelns.
»Nein«, versprach Herzer. »Es war einmal ein junger Mann, der Soldat wurde …«
»Der junge Mann warst wohl du?«, fragte sie scherzend.
»Nein, nicht ich«, sagte Herzer. »Das wird auch gleich offenkundig. Jedenfalls ist er bei den Blood Lords eingetreten, weil er dachte, das wäre besser, als für den Rest seines Lebens Holz zu fällen. Und er hat seine Sache recht gut gemacht. Nicht so gut, dass er wirklich hoch aufgestiegen wäre, aber er war ein recht guter Soldat. Vielleicht zu gut. Immer mitten im Gemetzel. Ständig irgendwelche Kämpfe, selbst wenn die selten waren. Er wollte immer draußen an der Front sein. Und dann hat man ihn eines Tages ausgeschickt,
um Milizen auszubilden, die Probleme mit Banditen hatten. Er war auf Banditen … wirklich sauer. Jedenfalls schaffte es die Miliz mit seiner Hilfe, die Banditen in die Falle zu locken.« Herzer hielt kurz inne und runzelte nachdenklich die Stirn. »Unter bestimmten Umständen kann man solche Leute ganz legal im Feld vor ein Standgericht stellen und sie exekutieren. Mein … Freund hat nicht einmal das getan. Er ließ sie fesseln, nebeneinander, und dann hat er ihnen der
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