Die Nanokriege - Die Sturmflut
einen Punkt«, erklärte Edmund bedrückt, »wo man Verantwortung delegieren muss. Selbst wenn es die Verantwortung für die eigene Familie ist. Und du wirst ohnehin nach Balmoran gehen. Du erinnerst dich doch?«
Herzer stieg das Fallreep der Hazhir hinauf und erwies dem Deckoffizier und anschließend der Flagge der UFS-Marine eine Ehrenbezeigung, einer Klapperschlange auf orangerotem Feld mit der Schrift »Trete nicht auf mich« darunter.
»Erlaubnis, an Bord zu kommen?«, fragte er.
»Erlaubnis erteilt«, erklärte der weibliche Lieutenant. »Lieutenant Lannette Rattanachane, Navigationsoffizier.«
»Major Herzer Herrick«, erwiderte Herzer und deutete dann auf Bast, die soeben das Deck erreicht hatte und sich interessiert umsah. »Bast L’sol Tamel d’San, Verbündete Elfe.«
»Sag einfach Bast«, sagte die, streckte dem weiblichen Lieutenant die Hand entgegen und schüttelte sie heftig. »Erfreut, deine Bekanntschaft zu machen.« Sie trug ihre normale Reisekleidung, bestehend aus einem grünen Lederbikini, einem Wehrgehänge mit Säbel an der linken Hüfte, Bogen und Köcher über dem Rücken, Metallpauldron auf der linken Schulter, Beinschienen am rechten Bein und einen Beinwärmer aus Pelz am linken Bein. Außerdem trug sie Sandalen mit ganz flachem Absatz. Ihr Haar war offen, und der Nordostwind blies es ihr ins Gesicht, als sie grinsend meinte: »Ein schöner Tag zum Segeln, wie?«
»Ja, richtig«, schluckte der Lieutenant. »Major Herrick, der Kapitän möchte dich so bald wie möglich sprechen.«
»Und das heißt: jetzt sofort.« Herzer nickte.
»Wir haben normalerweise separate Quartiere für männliche und weibliche Reiter …«, setzte Lieutenant Rattanachane an.
»Oh, nun ja, normal gilt nicht für Bast«, schnurrte die Elfe. »Wie wär’s also, wenn du mich zu Herzers Quartier bringen würdest, und ich richte mich dort ein?«
Die Flotte, die nach vier Wochen die Anker lichtete, war radikal verändert worden, zumindest äußerlich. Wo zuletzt die Spuren improvisierter Reparaturen zu sehen gewesen waren, gab es jetzt massives Holz. Geflickte Segel waren durch neue Baumseide ersetzt. Die verbrannten Masten waren ausgetauscht, die Takelage neu gespannt, und alle sonstigen Reparaturen durchgeführt worden.
Äußerlich.
Sämtliche Schiffe hatten mindestens einen Tag länger als geplant für die Reparaturen gebraucht. Die Mannschaft an den Segeln war unter Sollstärke. Sämtliche Trägerschiffe waren bis zum Rand mit Vorräten voll gepackt. Auf allen Drachenabwehrschiffen hatte man die neuen Kanonen montiert. Silverdrakes und Powells standen in der Luft über der Flotte und warteten auf den Befehl zur Landung.
Aber eine Flotte brauchte mehr, um »materiell« bereit zum Ablegen zu sein. Man hatte Offiziere und Mannschaften in einem komplizierten, kaum durchschaubaren Tanz zwischen den Schiffen ausgetauscht. Neue Schiffstypen waren hinzugekommen. Kanoniere und Drachenpiloten waren nur halb ausgebildet. Neue Kapitäne führten das Kommando.
Auf den ersten Blick sah die Flotte aus, als könnte nichts sie aufhalten. Und Edmund wusste, dass Kampfmoral der halbe Sieg war. Aber er wusste auch, dass ausreichende Ausbildung durch nichts und gar nichts ersetzt werden konnte. Und in dem Punkt gab es deutliche Lücken.
Mit diesem Gedanken stieg er das Fallreep zur Bonhomme Richard hinauf und schüttelte Shar Chang die Hand.
»Atlantis-Flotte geht an Bord«, brüllte der Bootsmann.
Die Bootsmannspfeifen schrillten, Trommeln schlugen, und Talbots Flagge zog am Mast empor. Aber er wusste, dass auch das nur Show war.
»Shar«, sagte er und schüttelte dem Admiral die Hand. »Sind wir bereit, die Segel zu setzen?«
»So bereit, wie wir das jemals sein werden«, erwiderte Chang. Er war sichtlich müde.
»Dann lass uns unter Deck gehen, es gibt einiges zu besprechen. «
Sie befanden sich im gleichen Quartier, das er auf der letzten Reise der Richard benutzt hatte, backbord vom Offizierskorridor, in einem Raum, der speziell für wichtige Besucher und Würdenträger eingerichtet worden war. Der Raum war klein, hatte aber ein großes Bett, ein breites Bullauge und einen Tisch, der groß genug war, dass sechs Personen um ihn herum Platz nehmen konnten, wenn sie sich gut verstanden. Im Augenblick saßen nur Edmund und Shar Chang am Tisch; Shars Adjutant war damit beschäftigt, Edmunds Gefolge in ihre eigenen, wesentlich engeren Quartiere zu bringen.
»Shar, zuallererst möchte ich klar machen,
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