Die Nanokriege - Zusammenbruch - Ringo, J: Nanokriege - Zusammenbruch - There Will Be Dragons
Kinder hat und sie ordentlich aufzieht, erfordern sie Zeit , sogar eine ganze Menge Zeit. Und auf die Weise braucht man Zeit für die Kinder, die man auch … nun ja, jedenfalls anders nutzen könnte. Und die Welt ist voll von solchen anderen Dingen. Die meisten Menschen würden lieber surfen oder irgendwelche Spiele besuchen als den ganzen Tag über tausend Fragen zu beantworten, die alle mit ›Warum‹ beginnen.
Den meisten Frauen ist das klar, und ebenso auch, dass der größte Teil dieser Erziehungsarbeit ihnen zufällt. Wenn es ihnen nicht klar ist, dann lernen sie es spätestens beim ersten Kind. Und wenn sie das Kind weggeben, lässt das Netz nicht zu, dass sie ein zweites replizieren; sie verlieren die Berechtigung.«
»Das ist auch etwas, was wir ändern könnten«, sagte Celine. »Eine große Zahl überlebensfähiger menschlicher Kinder zu produzieren ist eine eher triviale Übung. Tatsächlich gibt es durchaus noch Verbesserungen, die man am menschlichen Genom vornehmen könnte, und das trotz all der Arbeiten in den vielen Jahrhunderten.«
»Und wer wird sie großziehen?«, brauste Ishtar auf. »Sie hat doch gerade gesagt, dass die meisten Leute sich nicht die Mühe machen wollen. Wir haben bereits einen leichten
Überschuss an gewünschten Kindern. Willst du sagen, wir sollten mehr haben?«
»Da gibt es auch noch einen Aspekt der kulturellen Konditionierung«, sagte Sheida. »Die menschlichen Populationen sind in der Mitte des einundzwanzigsten Jahrhunderts gekippt und tendieren seitdem stetig nach unten. Aber in unserer Gesellschaft herrscht immer noch ein kultureller Mythos, dass ›Gaea verwundet ist‹. Und aus diesem Grund werden beinahe fünfzehn Prozent des gesamten Energieverbrauchs dafür genutzt, ›Umweltschäden‹ auf einer Welt zu reparieren, wo das letzte im Tagebau operierende Bergwerk vor tausend Jahren geschlossen wurde! Die Leute denken immer noch, wir hätten ein Bevölkerungsproblem, und deshalb sind Familien mit einer großen Zahl von Kindern gesellschaftlich tabuisiert.«
»Worauf willst du hinaus?«, fragte Paul.
»Nun, Frauen sind auch nicht alle gleich«, fuhr Sheida fort. »Es gibt Frauen, die infolge besonderer genetischer und kultureller Gegebenheiten Kinder vergöttern . Es gibt sie dort draußen in der Welt, Frauen, die trotz des kulturellen Tabus drei, vier oder fünf Kinder zur Welt gebracht haben. Ihr Körper verlangt einfach: ›Mach Babys.‹ Gott sei Dank benutzen sie dazu schon lange nicht mehr ihren Körper, das wäre ja schrecklich, aber immerhin ziehen sie die Kinder nach wie vor selber groß.
Einer der Gründe dafür, dass der Bevölkerungsrückgang abgenommen hat, liegt darin, dass der Trend zur Ausbildung jener Gene inzwischen wieder zunimmt. Im Grunde genommen haben sich Frauen, die keine Babys wollen, in den letzten zwei- oder dreitausend Jahren nicht mehr vermehrt. Ich denke, wir sind dabei, ein stabiles Niveau zu erreichen, oder werden das zumindest im Laufe der nächsten zwei- oder dreihundert Jahre. Außerdem sind wir immer noch dabei, die menschliche Lebensspanne
zu erhöhen. Im Augenblick liegen wir bei fünfhundert Jahren und könnten im Laufe des nächsten Jahrhunderts die Tausend-Jahre-Grenze erreichen. Und damit werden sich die Prämissen ändern.«
»Wenn wir überhaupt zunehmen«, gab Paul zu bedenken. »Du zeigst deine Trends und ich die meinen. Das Tempo des wissenschaftlichen Fortschritts ist praktisch auf den Nullpunkt gesunken. Der Quantensprung und die Replikation wurden vor fast fünfhundert Jahren entwickelt, und das waren wohl die letzten signifikanten wissenschaftlichen Durchbrüche. Du kannst hier sagen, was du willst, ich behaupte, die Bevölkerungskurve stürzt ab, und wir stagnieren, werden immer fauler und irgendwann zu Lotosessern. Wir werden von Jahr zu Jahr weniger menschlich und wenn wir nichts unternehmen, kann es sein, dass es bald gar keine Menschen mehr gibt. Wir stecken tief in der Krise, und du steckst den Kopf in den Sand und faselst von ›mütterlicher Genetik‹!«
»Das ist kein Gefasel, Bowman, das ist Wissenschaft«, widersprach Sheida. »Aber anscheinend hat die Logik dich überholt, dich weit hinter sich gelassen. Du möchtest die Menschen ›arbeiten‹ lassen, aber Arbeit hat historisch betrachtet nie die Vermehrung gefördert, im Gegenteil, sie hat davon abgelenkt. Ich muss die Frage stellen, ob all diese Arbeit von denen verrichtet werden kann, die sich zum Wandel entschlossen
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