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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Überwachtmeisters kannte.
    Angebissene Stiefel und Lederfetzen lagen auf dem Boden herum, so dicht, daß beinahe das Stroh, mit dem das Zimmer eingestreut war, darunter verschwand. Dazu die blanken Gerippe von Matratzen, hingestreckt wie die von der Sonne gebleichten Relikte gestrandeter Seeungeheuer, verkrümmt, verdreht, schrottreif, kaputt. Und Bißspuren, überall Bißspuren: an den Schränken, am Fensterbrett, an dreien von den vier Bettpfosten – weiß leuchteten sie im dunklen alten Holz. Und inmitten dieses Durcheinanders schlummerten sanft zwei Gestalten: schweratmend die eine und gelegentlich zuckend (immer dann, wenn sie von dem Verhör träumte, das sie gleich am Vormittag fortsetzen wollte), die andere schnarchend (wenn sie einatmete) und meckernd (wenn sie ausatmete).
    So gestalteten sich – seit nunmehr zwei Jahren! – die Nächte eines friedlich und einträchtig schlummernden Paares. Aber das sollte sich bald ändern.
    Quintzi schlich um das Bett herum, konnte sich immer nur mit Mühe das Lachen verkneifen, wenn er Vif im Schlaf meckern hörte. Dann stürmte er unvermittelt los. Er hüpfte schneller als ein Frosch, der auf dem Grill gelandet war, packte Strappado, hielt ihm den Mund zu und flüsterte ihm ins Ohr: »Das Königreich braucht dich!«
    Der Überwachtmeister riß die Augen auf, starrte Quintzi erst ungläubig an, blinzelte kurz und erkannte dann, wen er vor sich hatte: den Mann vom MAD.
    »Ein Auftrag!« flüsterte Quintzi. »Sind Sie bereit? Top secret! Absolute Geheimhaltung! Verdeckte Liquidation!«
    Strappados Augen glühten im Dunkel, er war begeistert, war zutiefst aufgewühlt. Er nickte leidenschaftlich, tausend Fragen schossen ihm durch den Kopf. Liquidation! Aber was? Beziehungsweise wen?
    Quintzi blickte sich ängstlich um, so als hätte er etwas gehört, und verdrehte theatralisch die Augen. Ein Adrenalinstrom brauste durch Strappados thaumophoben, magieallergischen Körper.
    »Folgende Information muß unbedingt unter uns bleiben: Wir ermitteln in einem Mordfall. Der Verdächtige ist uns entwischt. Hält sich hier in Guldenburg versteckt. Ist in die zwielichtigen Zirkel der magischen Unterwelt abgetaucht.«
    Strappado zitterte, als er das hörte. Hieß das etwa, man gab ihm ganz offiziell den Auftrag, ein paar von diesen unerträglichen Herumtreibern, von diesen widerlichen Magiern aufzumischen? Ganz legitim? Und so, als wolle sie seine stumme Frage beantworten, meckerte Vif und wälzte sich herum. Sie träumte von saftigen Weiden und Ziegenkäse.
    »Der Verdächtige ist verkleidet. Und jetzt – falls Sie zur Mitarbeit bereit sind – Ihr Auftrag: Sie verhaften die gesamte Magierbrut zur umgehenden Einvernahme. Das Königreich wird es Ihnen ewig danken!«
    Strappado konnte nicht einmal mehr einverstanden nicken – Quintzi war bereits um das Bett herum und aus dem Schlafzimmer des Überwachtmeisters gesaust. Ein neuer Tag lag vor ihm, ein neues Spiel, ein neues Glück, und er war fest entschlossen, aus seinen Nanos herauszuholen, was herauszuholen war, um diesem ›Glück‹ auf die Sprünge zu helfen.
    Drei Straßen weiter brach er zusammen. Er bekam einen Lachkrampf, er hielt sich den Bauch vor Lachen, er wollte sich ausschütten vor Lachen, wenn er an das Gesicht von Strappado dachte, der ihn so devot, so überaus dienstbeflissen angeblickt hatte. Ein Kinderspiel. Aber jetzt mußte er sich schleunigst eine größere Unterkunft suchen, ein Quartier, das mehr Rückzugsmöglichkeit bot.
    Strappado lag im Bett und platzte fast vor Stolz. Man war an ihn herangetreten, er gehörte zu den Auserwählten, der MAD brauchte ihn und seine Hilfe! Dabei hatte er seinen Auftrag schon erfüllt, noch bevor er ihn bekommen hatte! Morgen würde es sich zeigen, morgen würden sie sehen, wie effizient er zu arbeiten verstand.
    Kaum war dieser Freudentaumel etwas abgeklungen, da begann sein Herz wie wild zu klopfen: Magier verprügeln – eine phantastische Vorstellung! Noch dazu, wenn man davon ausgehen konnte, daß sich die Kerle der Festnahme widersetzen würden. Ein wunderschöner Tag lag vor ihm. Er freute sich, er freute sich ungemein.
     
    Ellis Dee war wütend. Er hätte nie gedacht, daß es so lange dauern würde, die Berichte der Augenzeugen zusammenzustellen. Im nachhinein war ihm unverständlich, warum er ausgerechnet Praquat mit dieser Aufgabe betraut hatte.
    Praquat hatte zunächst jeden, wirklich jeden gefragt, ob er in der fraglichen Nacht irgend etwas Ungewöhnliches

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