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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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beobachtet hätte; hatte dann gut sechs Stunden damit verbracht, die Berichte von steptanzenden Dachsen und drachenfliegenden Gürteltieren auszusortieren, und hatte schließlich jeden Befragten zu einer jeweils eineinhalb Stunden dauernden regressionshypnotischen Sitzung bestellt, an die sich eine nicht ganz so lange dauernde aromatherapeutische Behandlung angeschlossen hatte, um – wie er gesagt hatte – »das Karma wieder aufzubauen«.
    Zwei Tage hatte diese überaus gründlich durchgeführte Untersuchungsarbeit gedauert. Und jetzt stand zweifelsfrei fest: Der Hextirpator war von einer jungen Schwarzen europäischer Abstammung und männlichen Geschlechts (Alter: etwa fünfundsechzig Jahre) gestohlen oder möglicherweise auch nicht gestohlen worden.
    Ellis Dee war nicht der einzige, der verärgert war. Verärgert war auch ein gewisser Zhaminah, eine merkwürdig unauffällige Erscheinung mit dem ortsüblichen Rasta-Haarschnitt. Aber Zhaminah war eigentlich immer verärgert. Er war jetzt seit zwei Jahren als verdeckter Ermittler tätig und war dabei so sehr mit Verdecken und Geheimhaltung beschäftigt, daß er das Ermitteln schon fast verlernt hatte. Möglicherweise war er aber auch deswegen so verstimmt, weil er Angst davor hatte, wie sich der Nachrichtenaustausch mit einem gewissen Kommandanten im Hauptquartier des MAD gestaltete. Die finanzielle Sicherung seiner Zukunft wie auch der unversehrte Zustand des Großteils seiner Lieblingsorgane, das alles hing im Augenblick allein davon ab, ob es gelang, den Hextirpator wiederzubeschaffen.
    »Verdammt noch mal«, fluchte Zhaminah, der sich in sein Baumhaus, in die sichere Abgeschiedenheit seiner eigenen vier Wände, zurückgezogen hatte. »Jetzt melde dich endlich!« Wütend stach er mit dem Zeigefinger auf seinen dunkelgrauen Fernsprechapparat ein, der aus dem Gehäuse der Wellhornschnecke gemacht war. Wenn er schon einmal einen Vorsprung vor dem Kommandanten hatte und mit einer neuen Information aufwarten konnte, dann mußte er diese Information auch unbedingt loswerden.
    Zhaminah hielt das Gehäuse ans Ohr: nichts. Nur das Rauschen des Meeres war zu hören, ein Geräusch, das normalerweise eine durchaus beruhigende Wirkung hatte. Er schloß bestimmte Öffnungen auf dem Instrument, gab noch einmal seine Frequenz durch und … bekam Antwort. Erstaunlicherweise.
    »Ja?« blaffte eine dünne Stimme.
    »Agent Zhaminah. Betrifft aktuellen Stand der Ermittlungen bezüglich Verbleib jenes Geräts, dessen Name mit ›H‹ beginnt!« Zhaminah gab die Meldung verschlüsselt durch. Es war nicht ausgeschlossen, daß das Gespräch abgehört wurden.
    »Du schon wieder! Und? Gefunden?«
    »Äh … nicht direkt. Aber dank meiner Ermittlungsarbeit können wir jetzt eine Beschreibung des Verdächtigen geben«, meldete Zhaminah verheißungsvoll.
    »Schön. Laß hören!« knackte die dünne Stimme.
    »Es handelt sich bei dem Täter um eine junge Schwarze europäischer Abstammung und männlichen Geschlechts, der etwa fünfundsechzig Jahre alt und möglicherweise in Begleitung eines Papageis ist. Oder auch nicht.«
    Ein erstickter Schrei war zu hören, dann ein Klicken, schließlich wieder das leise Rauschen der See.
    Zhaminah machte ein verdrießliches Gesicht. Er hatte das ungute Gefühl, daß er mit diesem Report seine Aussichten auf Beförderung nicht unbedingt verbessert hatte.
     
    Aufregt weiteten sich die Pupillen, als die riesige Panzerschere unvermittelt zuschlug und sich krachend in den blaugrauen Rückenschild bohrte. Der Dekapode taumelte, als ihn der mörderische Hieb traf, wackelte konfus mit den Fühlern und zog sich kratzend und scharrend ein wenig zurück. Dann hob er seine gefürchtete Schere und holte mit einer sichelnden Bewegung zum Gegenschlag aus: Er packte den Angreifer an den Vorderbeinen, warf ihn auf den höckrigen Rücken, setzte sofort nach und hatte ihn noch im selben Moment erledigt – mit einem Schlag, dem auch der stärkste Panzer nicht standgehalten hätte. Im Hintergrund war begeistertes Geschrei zu hören, die Zuschauermenge jubelte dem gepanzerten Sieger zu. Und wieder wurden Wettscheine zerrissen oder für schäbige Gewinnsummen eingetauscht.
    Quintzi Cohatl grinste, kritzelte den Namen ›El Deconstructor‹ auf einen Pergamentfetzen und schaltete die Sportvorausschau ab, die eine Zusammenfassung der Ergebnisse der bevorstehenden Ausscheidungskämpfe für die Boxerkrabben-Liga Guldenburg gebracht hatte. Er trank schnell noch den letzten Schluck

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