Die Nanowichte
Pilzen hin und her drehte, und fragte: »Und was soll ich jetzt mit ihnen machen?«
»Essen!« wummerte Nimlet. »Alle. Sofort!«
»Was soll … Auuuh! Is ja gut, is ja gut!« schrie er, weil er spürte, daß sich die nächste Ohrenentzündung ankündigte.
Er schaufelte die schimmligen Pilze in sich hinein und wartete freudig erregt auf dem bevorstehenden Kick. Machte Spaß, wenn man jemandem einen Gefallen tun konnte. Gefiel ihm irgendwie.
Er spülte die restlichen Pilze mit dem letzten Schluck Wein hinunter, legte sich zurück und machte sich bereit: Schon in wenigen Sekunden würde ihn wieder dieser phantastische Gefühlssturm überrollen; er spürte, wie es auf ihn zukam, unaufhaltsam wie eine Flutwelle, die einen Auftrag zu erledigen hatte.
»Und jetzt schraubst du dieses Röhrchen von dem Gerät ab«, kommandierte Nimlet. Er schaffte es tatsächlich, daß es sich anhörte, als spräche er mit wütend zusammengebissenen Zähnen. »Und dann steckst du dir die Nadel in den Arm, und zwar genau überhalb …«
»Bhoauuh!« schrie Quintzi auf. »Ey, Moment mal! Davon war aber nie die Rede, daß ich mir N … N … Nadeln …!«
»Wären dir Ohrenschmerzen lieber?« hämmerte der Nanowicht drohend.
Quintzi starrte die Nadel an, die im verdämmernden Mondlicht glitzerte. »Ich … ich …«
Knapp neben dem Trommelfell wurde ein Preßluftbohrer angeworfen.
»Schon gut, schon gut, schon gut!« Zitternd nahm er die Nadel, wandte den Kopf ab und stieß sie in die nächstbeste Arterie. Und wäre fast in Ohnmacht gefallen dabei.
»Brenner anzünden!« hämmerte Nimlet. Seine Kollegen zitterten verwirrt.
»Den Brenner?! Was habt ihr eigentlich vo … Bhooooaaaaaauuhhheeeyyy!«
Im Mageninneren speisten die Pilze ihre freigesetzte Thaumarladung in Quintzis Blutkreislauf ein und überschwemmten seinen altersschwachen Körper mit Flutwelle aus hexentiellen Protomageinen.
»Den Brenner!« hämmerte Nimlet und flitzte aus Quintzis Ohr. Im Nu war er im Docht des Athanorbrenners verschwunden und begann wie wild zu vibrieren. Die Reibungshitze setzte einen winzigen Punkt in Brand, heizte die Temperatur weiter an und entzündete noch im selben Augenblick die Brennflüssigkeit.
Quintzi verdrehte die Augen bis unter die Schädeldecke und merkte nicht, wie sich im Hextirpator ein Pumpwerk in Bewegung setzte, wie mit hexentiellen Protomageinen angereichertes Blut durch die Nadel gesaugt und über diverse Röhren in ein hochkomplexes Reinigungsaggregat gepumpt wurde. Es floß durch Kolbengefäße, die mit thaumophilen Extrakteuren bestückt waren, wurde in Destillierkolben erhitzt, wurde durch Retorten geschickt, so lange, bis schließlich nach erfolgter Rekombination und Reaktivierung drei schimmernde Tröpfchen aus dem Ausflußröhrchen austraten: pures, absolut reines Thaumaglobin. Mit ekstatischem Geschrei sausten die Nanos los und stürzten sich hemmungslos in dieses Elysium der Flüssigmagie.
Aber wie gesagt: Quintzi bemerkte nichts von alledem. Er war dem Ansturm einer Überdosis Thaumaglobin erlegen – jenem Rambazamba, dem sich seine lebenswichtigen Organe verzückt hingaben, jenem rasenden Tangorhythmus, zu dem seine Venen ekstatisch pulsten, jenem euphorischen Höhenflug, zu dem sich sein Geist mit hauchdünnen Flügeln aufschwang. Und wieder einmal, zum dritten Mal nach fünfzig und ein paar Jahren, trieben die Follikel auf seiner spiegelblanken Glatze Haare aus, rutschten seine arthritischen Gelenke wie geschmiert über makellos glatte Knorpelschichten. Die Jahre schienen von ihm abzufallen, die Falten im Gesicht glätteten sich, Muskeln wurden dick und prall, die Haare färbten sich dunkelbraun, nicht grau, und die Wölbung um die Körpermitte gestaltete sich nach den Maßgaben jenes wohlgefütterten Modells, das er in seiner Jugend so stolz vor sich hergetragen hatte. Es war ein phantastisches Gefühl. Fünf Minuten lang. Dann war der Spaß vorbei. Schlagartig.
Nachdem die magiesüchtigen Nanowichte die letzten Milligramm Thaumaglobin abgesaugt hatten, fiel Quintzis körperliche Verfassung wieder in den Ausgangszustand zurück: Der Axolotianer alterte wieder, verknöcherte wieder, wurde klapprig und taperig.
Wobei … Eines war anders. Es war etwas hinzugekommen, das Quintzi bisher nicht gekannt hatte: Neben all den Schmerzen und Plagen, die ihn quälten, verspürte er jetzt auch noch ein unstillbares Verlangen – den Wunsch, diesen Kick wieder einmal erleben zu dürfen. Und dann noch einmal. Und wieder
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