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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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schüttelte den Kopf. Er wußte genau, daß das, was er jetzt gleich sagen würde, falsch war; er war sich ganz sicher, daß, sobald er auch nur den Mund aufmachte, seine gesamten Ersparnisse in großer Gefahr waren. Aber die Stimme vor der Tür hatte irgend etwas von ›Vorhersagetechnologie‹ gesagt. Ein winziges Hoffnungsfünkchen schlich sich schüchtern und verlegen in Quintzis Verstand, der bereits alle Hoffnung fahren lassen wollte. Das sichere Wissen darum, daß er drauf und dran war, einem Ansinnen zuzustimmen, dem er nie hätte zustimmen dürfen, ließ Quintzi erzittern. Aber im hintersten Winkel seines Verstandes brachte ihn etwas auf irgendeine Weise dazu, die fatale Frage zu formulieren: Die Neugier, der uralte, unselige Drang des Menschen, wissen zu wollen, warum oder wie und was …
    »Und was, bitte schön, soll das …?«
    Weiter kam er nicht. Die Türklinke wurde brutal nach unten gedrückt, ein Fuß zwängte sich in den Türspalt, und keine Sekunde später stand ein Mann, der einen Labormantel trug und eine große Tasche mit sich schleppte, mitten in Quintzis Behausung.
    »Haben Sie Schwierigkeiten, weil Sie nicht wissen, wohin Ihr Lebensweg führt?« fing der Vertreter an und lächelte wissend. »Haben Sie es satt, daß es anderen gelingt, den Bananenschalen, die das Leben überall herumliegen läßt, auszuweichen, während unverdienterweise Sie auf offener Straße mit vollendet ausgeführten Ausrutschern glänzen?«
    Quintzi setzte sich unvermittelt auf und begann interessiert zuzuhören.
    »Quält Sie manchmal der Verdacht, daß eine leichte altersbedingte Weitsichtigkeit möglicherweise nicht ausreicht, um sich vor den Knüppeln zu retten, die einem das Leben zwischen die Beine wirft?«
    Quintzi nickte.
    »Finden Sie es nicht ätzend, immer genau im richtigen Moment am falschen Ort zu sein?«
    »D … doch«, stotterte Quintzi. »Aber woher wissen …?«
    Ein Leuchten lief über das Gesicht des Vertreters, das Hausiererfieber hatte ihn gepackt.
    »Ich habe es gesehen!« schrie er freudestrahlend und mit so großer missionarischer Überzeugungskraft, daß man ihm alles geglaubt hätte. Auch die Behauptung, er könne alle Krankheiten heilen. Einfach so, durch Handauflegen.
    »A … aber wie?« wimmerte Quintzi.
    »Damit!« schrie er wieder, wühlte theatralisch in seiner Tasche und zog mit schwungvoller Geste den betreffenden Gegenstand heraus: eine sanft fluoreszierende Glaskugel. Er hielt sie Quintzi hin und grinste gerissen im milden Glanz des grünen Lichts.
    »Was ist das?«
    »Ein echtes Schnäppchen! Für nur …«
    »Nein, nein, ich meine: Was bringt das?«
    »Ach so! Also – wenn Sie sich dieser neuesten Entwicklung der hochauflösenden Vorhersagetechnologie bedienen, dann werden Sie sich mit dieser tragbaren 8-Zoll-Colorkristallkugel Haruspex einen Weitblick verschaffen, der Sie befähigt, die eben erwähnten Katastrophen problemlos zu vermeiden und dazu auch noch beim Pokern zu gewinnen! Im Glas ist Wahrheit, die dunklen Zeiten sind vorbei, die Zukunft ist ein Glaskugelspiel!«
    »Heißt das, ich kann damit in die Z … Zu …?«
    »So isses. Eine Woche, einen Monat, so weit Sie wollen«, flötete der Vertreter und wischte sich wieder eine Haarsträhne aus den Augen. »Wenn Sie ergänzend dazu auch noch den pentagrammatischen Positionsmarker verwenden, können Sie ungestörte Seherfreuden genießen und sich auf spezifizierte bevorstehende Ereignisse konzentrieren. Auf Gewinne bei sportlichen Wettkämpfen etwa oder auf zukünftige Weltrekorde … Sie können sogar überprüfen, wie die offenen Ausscheidungskämpfe von Cranachan und Isolon um die Errichtung des besten Steinkreises stehen! Und dazu kann ich Ihnen noch – wie allen unseren Erstkunden, und nur noch für diesen Monat – ein ganz spezielles Angebot offerieren: die Möglichkeit, sich die neuesten Laterna-Magica-Streifen ganz gemütlich zu Hause im Sofa anzusehen! Alle! In 80-mm-Superthaumination! Jawoll! Für ganze dreizehneinhalb Silbergroschen pro Monat können sie das komplette ZDF-Programm [5] empfangen!«
    »Ich … äh …«
    »Man wird Sie beneiden! Und das für nur einhundertsiebenundzwanzig Silbergroschen! Na?« grinste er abschließend.
    »Ich … äh … ja!« winselte Quintzi, dem von dem verbalen Trommelfeuer ganz dumm im Kopf war. Wie im Traum stand er auf, schwankte in sein Schlafzimmer und hob einhundertvierzig Silbergroschen von seinem Konto ab, das er unter der Matratze angelegt hatte.
    »Ausgezeichnet!

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