Die Nanowichte
Inklusiv Spielfilme – ein weiser Entschluß!« sagte der Vertreter, rieb sich die Hände und kassierte das Bare. Dann zog er noch schnell einen kleinen Packen Pergament aus seiner Tasche und warf ihn Quintzi zu. »Die Bedienungsanleitung. Wenn’s Probleme gibt: Hinten steht eine Adresse drauf. Fröhliches Schauen und: Blick auf!«
Und damit wuselte er zur Tür hinaus und die Treppe hinunter und ließ Axolotl im Eilschritt hinter sich. Einhundert Stück verkauft! Ein glasklarer Erfolg! Er hätte sich kugeln können. Und alle haben gemeint, das könnte nicht klappen!
Wenn man die Herstellungskosten abrechnete, blieben immer noch satte zehntausend Silbergroschen Reingewinn. Er konnte gar nicht aufhören, sich die Hände zu reiben, wenn er daran dachte, wieviel verschrottete Bleirohre man dafür bekam. Ein paar Stunden mit dem Zeug am Thaumatron gearbeitet – damit konnte er bestimmt … also, fünfzigtausend bestimmt schaffen. Spielend. Ha! Hübsches Kapital für das Projekt, das er im Kopf hatte. Selbst dann, wenn man die ständig steigenden Kosten der Thaumarforschung rechnete.
Mit einem letzten winzigen Freudensprung sauste Apathos, der thaumaturgische Physiker, los und rannte zu seinem Pferdekarren, den er drunten im Tal versteckt hatte. Nicht mehr lange, dann wäre er wieder zu Hause in den gemütlichen Höhlen von Losa Llamas. Er strahlte vor Freude.
Unterdessen drehte Quintzi die Glaskugel hin und her und kämpfte die nagenden Zweifel nieder, die ihn hinsichtlich der prophetischen Hellsicht des Handlungsreisenden Umtrieben. Dann warf er das Benutzerhandbuch in die Ecke und schnappte sich, voll gespannter Erwartung, die tragbare 8-Zoll-Colorkristallkugel Haruspex. Genau jetzt begann die erste Minute vom Rest seines Lebens, und die wollte er ganz bestimmt nicht mit der Durchsicht eines todlangweiligen, fünfzig Seiten dicken und für den unterdurchschnittlichen Idioten auf der Straße verfaßten Geschreibsels vertun, wo er doch furchtlos einen Blick in die ferne, glanzvolle Zukunft werfen konnte!
Mit einem kaum nennenswerten Zittern (es war die Anspannung, die nur mühsam beherrschte Aufregung) schubste er Tiemecx von seinem bevorzugten Sonnenplätzchen auf dem Regalbrett und stellte an seiner Stelle die glänzende Kugel dort ab. Der Papagei zog ein mürrisches Gesicht und knackte zum Ausgleich dafür geräuschvoll ein paar Sonnenblumenkerne. Quintzi trat ein kleines Stück zurück, fläzte sich in seinen Korbsessel (ausgezeichnete Fernsicht, stellte er zufrieden fest) und prüfte noch ein paar andere wichtige Dinge. Zum Beispiel, ob man in dieser Position nach einigen Stunden ununterbrochenen Schaugenusses nicht möglicherweise rasende Nackenschmerzen bekam und ob die Ranken seiner Skorpionpflanze ins Bild hingen. Schon wollte er sich ein Polster für den Rücken zurechtlegen, da sprang er mit einem Entsetzensschrei wieder auf: Erst jetzt war ihm aufgefallen, daß die Kugel ins Rollen gekommen war und unaufhaltsam auf die Kante des Regalbretts zusteuerte – es war eine tadellose Demonstration der Wirkung, die die Schwerkraft auf einen harten Kugelkörper ausübte, der auf einer schiefen Ebene positioniert war.
Quintzis Sprung fiel zu kurz aus: Er blieb mit einem Fuß an der Armlehne hängen und segelte, die Arme noch in die Seite gestemmt, auf das Regalmöbel zu. Die Kristallkugel rumpelte weiter, rollte schneller und immer schneller auf den Punkt zu, wo der freie Fall mit einem Aufprall auf glasierten Terracottafliesen enden würde. Quintzi flog im hohen Bogen über den Stuhl, prallte auf eine Binsenmatte, prallte wieder ab und schlitterte weiter, japsend, aber nicht zu bremsen. Genau in diesem Moment stürzte die Glaskugel vom Regalbrett und ihrem sicheren Ende entgegen. Sie sauste an einem Brett vorbei, auf dem eine Unzahl aus Ton gefertigter Schildkröten stand, dann an einem anderen, das mit alten Nummern des Axolotischen Vorboten übersät war, schließlich an einem Schränkchen, in dem sich die Päckchen mit den Sonnenblumenkernen stauten, und beendete ihren außerplanmäßigen Fall mit einem schallenden ›Platsch‹. Und einem von Quintzi ausgestoßenen Schrei.
Es war ein Schrei der Erleichterung. Quintzi hatte es – keiner weiß wie – geschafft, seine zitternde Hand zwischen die Kugel und das unausbleibliche, durch Terracotta verursachte Verderben zu halten. Ein Schweißbächlein lief ihm über die Stirn, die Tropfen fielen bei jedem heiser keuchenden Atemzug platschend auf die
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