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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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er.
    »Keine Ahnung, Kommandant. Sie sollen in das Büro im Hochsicherheitstrakt …«
    Schlagartig erstarb das Lächeln, das um die Lippen des Kommandanten spielte. Wieso es dazu kam (Weil die Stimme des Botschafters so ängstlich gezittert hatte? Weil das fragliche Büro immer nur dann benutzt wurde, wenn etwas entsetzlich und irreparabel schiefgegangen war?) … niemand hätte das zu sagen gewußt. Aber jeder, der in diesem Augenblick im Observationsraum anwesend war, wußte, daß sich Zhaminah sehr bald schon nur eines wünschen würde: die einzig mögliche und richtige Entscheidung für die Zukunft gefällt und sich von einer für diesen Zweck geeigneten Klippe gestürzt zu haben.
     
    Die Sonne war vor Stunden schon aufgegangen, begleitet vom Gesang eines aufgebrachten, mißgestimmten Chors, der sich aus einem lamentierenden Papagei, zwei knurrenden Mägen und drei unentwegt brabbelnden Nanowichten zusammensetzte.
    »Also, was ist das jetzt eigentlich für ein Ding?« maulte Quintzi Cohatl und fuchtelte mit seiner Diebesbeute. Er stapfte durch den allmählich lichter werdenden Wald und mühte sich tapfer, den scharfen Protest seiner arthritisch knarrenden Gelenke zu ignorieren.
    »Ein äußerst brauchbares Ding«, tippten die Nanos in seinem Ohr. Quintzi meinte fast, eine Art akustisches Grinsen aus ihrer Äußerung herauszuhören. Sie klangen jetzt beinahe ein wenig keck, selbstbewußter als bisher, zuversichtlicher.
    »Ach! Wär ich nie draufgekommen«, gab er sarkastisch zurück. »Wenn’s Schrott wär, wärt ihr wahrscheinlich nicht ganz so scharf drauf gewesen!« Er war jetzt fast den ganzen Vormittag auf den Beinen, Frühstück war auch ausgefallen – die Situation war der Entfaltung seiner eher heiteren Charaktereigenschaften nicht eben förderlich.
    »Jetzt sagt schon endlich, was es ist.«
    Wenn Hogshead, der drei Bäume links hinter Quintzi war, gehört hätte, was die Nanowichte daraufhin sagten, dann wäre ihm die Kinnlade heruntergefallen, so tief, daß er das Laub vom letzten Herbst mit den Zähnen hätte zusammenharken können. Aber im Ernst: Unter all den Instrumenten und Gerätschaften, die die thaumare Welt zu bieten hatte, gab es genau eines, das Hogshead wirklich gebraucht hätte – das, mit dem sich Quintzi im Augenblick abschleppte.
    Die Nanowichte surrten vor Freude über das Glück, das ihnen widerfahren war. »Ein thaumarer Entsafter.«
    »Hä?«
    »Für die Destillation von Thaumaglobin aus gewissen schwachmagischen Rohstoffen.«
    Quintzi kratzte sich den Kopf. Thaum, Thaumo, Thauma – schon wieder dieses Wort! Wo hatte er es bloß schon einmal gehört? »Und was sind das für Rohstoffe?« fragte er vorsichtig.
    »Du trägst gerade einen ganzen Korb davon mit dir herum.«
    »Was? Soll das ein Witz sein? Pilze? Wollt ihr mir weismachen, daß man diesen Thraum … äh … diesen Thaumstoff aus Pilzen macht? Diesen Stoff, der mir so gut … oooooohhhh?« Jetzt war ihm wieder eingefallen, was er nach der Überquerung des Großen Spalts erlebt hatte: organisch-dynamisches Rambazamba, überwältigende Spannkraft und Jugendfrische, atemberaubende Vitalität und Lebenslust.
    Seine Erinnerung schaltete fünfzig Jahre zurück. Es war eine wunderbare Zeit gewesen, damals, als er noch jung und hübsch war, rank und schlank … Na ja, schlank … eher stattlich vielleicht … Und daß er eine Sportskanone gewesen wäre … Aber egal! Damals hatte es wenigstens noch einen richtigen Sommer gegeben. Und auch die Menschen waren freundlicher gewesen. Und …
    »Jetzt gebt mir schon was davon!« fauchte er gierig. Er wollte noch einmal jung sein. Oder, wenn das nicht möglich war, wenigstens diesen sensationellen Energiestoß noch einmal erleben. Man mußte sich das nur einmal vorstellen: er, ein erfahrener Mann, der schon so einiges erlebt und gesehen hatte, und dazu das Körpergefühl von damals … Boahey!
    »Wir dachten, du wolltest eine von diesen Kristallkugeln?« feixten die Nanowichte. »Du weißt schon: Blick in die Zukunft, Wettschein ausfüllen, abwarten, abzocken …?«
    »Natürlich will ich so eine! Nur wachsen die nicht auf den Bäumen! Aber möglicherweise ist das ja, da ihr euch bei unserem Waldspaziergang in meinem Ohr verkrochen habt, eurer Aufmerksamkeit entgangen. Jetzt gebt mir schon was von diesem Thaumzeug …«
    »Schau nach vorn«, tippten die Nanos. »Du hast es fast schon geschafft.«
    »Hä?« Quintzi schielte angestrengt durch die Bäume: Vor ihm lagen die trostlosen,

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