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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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›Einnahmen‹ auf, holte grinsend zweihundert Silbergroschen heraus, steckte sie umgehend in den gewaltigen Sack mit den Tagegeldern und sauste wieder davon.
    Sekunden später marschierte Überwachtmeister Strappado wieder durch die Straßen, war auf dem Weg ins Präsidium, ins Amt für Natürliche Ordnung. Und heute abend … Heute abend hatte er ein Rendezvous im Silbernen Spucknapf. Er freute sich schon darauf. Sein Herz klopfte ganz aufgeregt, wenn er daran dachte.
    Es hatte mehrere Gründe, warum ihm seine Arbeit beim Amt für Natürliche Ordnung so große Freude machte. Der intensive, hautnahe und enge Kontakt mit Menschen zum Beispiel war einer davon. Oder die überwältigende Dankbarkeit, mit der die Bürger die Arbeit der Ordnungshüter honorierten – gerade sie zeigte ihm immer wieder, welch lohnende Aufgabe es war, sich für ein mit öffentlichen Mitteln finanziertes Polizeiwesen zu verwenden. Und wenn er der Dankbarkeit auch gelegentlich mit Schlagringen und glühenden Eisen ein wenig nachhelfen mußte, so verlieh das dem Ganzen nur eine zusätzliche Pikanterie.
    Am meisten aber schätzte er an seinem Job, daß er ihm die Möglichkeit gab, das Berufliche mit dem Privaten zu verbinden. Zu verhindern, daß das Königreich dem Virus der ›Roten Pest‹ (wie er das Magiergesindel zu nennen pflegte) zum Opfer fiel, das war ihm nicht nur berufliche Pflicht – das war ihm auch ganz persönlich ein großes, nein, sein größtes Anliegen. Weswegen er den heutigen Abend kaum mehr erwarten konnte. Er grinste innerlich, stiefelte um die nächste Ecke und träumte von seiner Beförderung, von einem Posten beim MAD.
    Zur gleichen Zeit war im altersschwachen Dachgebälk des Wettforum Guldenburg das Geräusch aufgeregt flatternder Flügel zu hören. Eine Taube ließ sich dort oben auf einer Sitzstange nieder und setzte damit im Büro des Buchmachers ein Glöckchen in Bewegung. Es bimmelte. Automatisch griff Doz Ysher nach einem Seil, das von der Decke baumelte, und zog. Die Sitzstange kippte, ein großes Netz fiel über die Taube, der Vogel fiel in eine Rohrleitung und landete schließlich, nach allerlei Gequarre und Gescharre, ziemlich unsanft auf dem Schreibtisch des Wettunternehmers. Der packte sich das konsternierte und erwartungsgemäß äußerst muffige Federvieh und riß ihm das Täschchen vom Bein, in dem die Ergebnisse des letzten Rennens steckten.
    Angelockt vom Gebimmel des Glöckchens, hatte sich die Zockerbande wieder zusammengefunden und wartete gespannt auf die Bekanntgabe des Gewinners. Und als Doz Ysher vor Schreck die Kinnlade herunterfiel, da stimmten alle ein Freudengeschrei an, das sie rhythmisch kontrapunktierten, indem sie einem ihrer Wettkollegen immer wieder herzlich auf die Schulter klopften.
    Der Glückspilz wedelte mit seinem Wettschein, dem Nachweis, daß er auf den Gewinner, auf Zaghafter Zelter, gesetzt hatte, und Doz Ysher zahlte ihm mit blutendem Herzen seine letzten zehn Silbergroschen aus.
    Er fluchte leise. Aber vielleicht würde es ja morgen besser laufen.
     
    »Könnte ich das vielleicht noch einmal hören, bitte«, flüsterte der MAD-Kommandant, der dem dünnen Stimmchen lauschte, das aus dem Lautsprechergitter zu ihm sprach. Es war immer ein schlechtes Zeichen, wenn er höflich wurde. Jedermann wußte, daß es dann nur noch Sekunden dauern würde, bis ein wütender Sturm losbrach.
    »Der Hextirpator ist … äh … verschwunden.«
    »Wo? Wie? Wer?« tobte der Graugekleidete. Sein Gemüt ließ die Zügel der Gelassenheit schießen und sprengte im scharfen Galopp davon, so scharf, daß die Grasnarbe der Friedfertigkeit in Fetzen ging und in alle Himmelsrichtungen auseinanderspritzte. Er stürzte sich auf das Mikrophon, krallte sich an dem feinen Maschengitter fest, verbog und verunstaltete es bis zur Unkenntlichkeit, bis nur mehr Drahtverhau übrig war.
    »Ich w … ich weiß nicht …«, japste das dünne Stimmchen und erstickte fast bei dieser mörderischen Knick- und Biegeprobe.
    »Ich habe drei Fragen gestellt! Auf welche willst du mir damit antworten?« brüllte der Kommandant den quieksenden Drahtsalat an, der deutliche Anzeichen von Materialermüdung erkennen ließ.
    »Äh … auf … auf alle«, gestand die zittrige Stimme von Zhaminah.
    »Das genügt mir nicht!« Krachend landete eine Faust auf dem Tisch, es knackte und knirschte scheußlich, und der Mann in Grau schoß wie eine Rakete vom Stuhl auf. Zum Glück ist das Hochsicherheitsbüro schalldicht, schoß es ihm

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