Die Nanowichte
Ramschers Warenhaus konfisziert worden waren. Ihre thaumaren Antennen zappelten und kreiselten, suchten nach Signalen, die das Vorhandensein eines hochdichten Strömungsfelds anzeigten, das Vorhandensein von Magie oder von irgend etwas, das wenigstens annähernd magisch war. Plötzlich zuckte Nimlet lebhaft, zischte los, hielt wieder an und schwebte aufgeregt in der Luft.
»Riecht ihr das?« summte er, als die anderen eingeholt hatten. »Na? Da, hinter dieser Tür … Da isses! Ganz bestimmt!«
»Worauf warten wir dann noch? Kommt schon!« Und schon war Udio im Schlüsselloch verschwunden.
Wütendes Gebrüll hallte von den Steinmauern des quadratischen Raums, ein Gebrüll, mit dem sich lange aufgestauter Ärger Luft machte, ein Gebrüll, das immer wieder unterbrochen wurde vom Knarren schwerer Foltermaschinerie und von qualvollen Schmerzensschreien.
»… und das ist für damals, als sie alle Geschirrtücher aufgefressen hat!« kreischte Strappado irr und drehte das riesige Rad der Folterbank um eine Stufe weiter. Das Opfer, das auf die Folterbank geschnallt war, sah sehr mitgenommen aus … Quintzi war anscheinend nicht der einzige, der heute morgen schon sehr früh aufgestanden war.
»Aaaaah! Es tut mir ja leid, daß ich mit den Handschellen davongerannt bin. Aber ich hab Sie für den Herausgeber des Messeführers gehalten, der sich das Geld für die pfiffige Anzeigenserie holen wollte, die ich zur Mystems geschaltet habe!« schrie der Zauberer, und seine Gelenke knackten scheußlich. Entweder, dachte Nimlet beunruhigt, entweder beschäftigt das Folteropfer einen schlechten Schneider, oder es ist gerade von einer Sekunde auf die andere um drei Zoll gewachsen.
Strappado grinste hämisch, kehrte der Folterbank den Rücken und musterte das salopp eingerichtete Gerätelager, in dem alle erdenklichen Instrumente der Marter, der Verstümmelung und der qualvollen Mißhandlung versammelt waren. Nachdenklich tippte er sich mit dem Zeigefinger an das Kinn und studierte eingehend die kuriosen Skelette, die an der Wand hingen: Skelette, die aus eisernen Gesichtsmasken, aus Eisenkrägen, aus Handschellen, Daumenschrauben und Ketteneisen zusammengesetzt waren; Gerippe wie Werkzeugsammlungen, in denen sich für jeden erdenklichen Teil der Anatomie das passende Marterinstrument fand. Er durchsuchte die unzähligen Ketten, die wie ein dichter Vorhang von der Decke hingen, an die in manchen Fällen Eisenmanschetten montiert waren oder Fußspangen, oder irgendwelche anderen Schraubvorrichtungen, die an allen möglichen abstehenden Körperpartien, von den Ohren angefangen bis hinunter zu den Zehen, befestigt werden konnten. Dann grinste er niederträchtig, nahm eine Gerätschaft vom Haken, die wie ein gußeiserner Hosenlatz aussah, und schob sie in den Ofen.
»Nur ein bißchen anwärmen«, knurrte er. »Wir wollen doch, daß er sich wohl fühlt, unser lieber Intranco, nicht wahr?« sagte er, sauste wieder an das Rad an der Folterbank und ließ sich brüllend darüber aus, welche Qual es bedeutete, zwei Jahre mit einer Frau zusammenleben zu müssen, die sich für eine meckernde Ziege hält.
»Ich rieche Magie!« Udio ließ sich nicht davon abbringen. Aufgeregt surrte er durch die Einvernahmesuite No. 13. »Aber wo steckt sie?«
»In dem da.« Nimlet surrte niedergeschlagen über dem allmählich immer länger werdenden Großen Intranco hin und her. »Da kommen wir nicht dran.«
»Wieso nicht?« fauchte Udio. »Und ob wir da drankommen! Ich will schließlich nicht verhungern!«
Und damit stürzte er sich auf Intrancos Handgelenk, zwängte sich zwischen den Hautzellen hindurch und kümmerte sich nicht weiter um Nimlet, der ein besorgtes Geschrei ausstieß. Nur wenig später tauchte er in den Blutkreislauf des Zauberers ein, stürzte sich hemmungslos in die Sturzfluten aus Blutzellen, aus schäumendem Plasma, vor allem aber in die Ströme von Thaumaglobin. Wohin Udio auch sah, es war überall, wirbelte in schimmernden Strudeln um ihn her, drehte sich und tanzte aufreizend. Er schoß darauf zu, hing sich an ein Molekül und zog und zerrte mit äußerster Kraft – und bemerkte nicht, daß die Thaumaglobinmoleküle zu mikroskopisch kleinen Ketten aufgereiht und in ein Netz eingebunden waren. Er kämpfte, wand und warf sich wie wild hin und her, tobte wie ein winziger weißer Hai, der sich in einem Schleppnetz verfangen hat, und hatte zu guter Letzt doch nur eines erreicht: den Zustand der annähernden Totalerschöpfung. Entmutigt
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