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Die Nanowichte

Die Nanowichte

Titel: Die Nanowichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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tauchte er am Fußknöchel des Zauberers auf, surrte kleinlaut nach oben und gesellte sich wieder zu seinen Nanokollegen.
    »Ich hab’s dir doch gesagt«, fuhr in Nimlet an. »Nur in dem Moment, wenn er tatsächlich zaubert, ist das Zeug frei.«
    »Was?«
    »Hast du überhaupt eine Vorstellung, welche Scherereien nichtgebundenes Thaumaglobin anrichten könnte, wenn es ungehindert im Körper herumsausen würde?« Nimlet schauderte. »Selbstentzündung zum Beispiel, mysteriöses Verschwinden, Auflösung wichtiger Organe, was weiß ich noch! Kommt schon, laßt uns abhauen!«
    Als Nimlet durch das Schlüsselloch in den Korridor flitzte, da fachte Strappado mit einem Blasebalg das Feuer im Ofen noch einmal an, wartete, bis es eine infernalische Hitze entwickelt hatte, und zog mit dem leidenschaftlichen Überschwang des professionellen Sadisten jenes Instrument aus der Glut, das einem gußeisernen Hosenlatz nicht unähnlich war. Und dann – dann befand er, daß es immer noch nicht heiß genug war, und warf es wieder ins Feuer. Er fuhr herum und starrte Intranco ins schweißnasse Gesicht. »Sechzehnmal habe ich in den letzten zwei Jahren die Fensterbretter restauriert«, feixte er mit zusammengebissenen Zähnen. »Hab jedesmal erst die Bißspuren abgeschmirgelt und wieder ganz von vorn angefangen. Da hab ich doch mindestens noch drei Drehungen gut, meinst du nicht auch?«
    »Ich kann das ja gut verstehen, ich hab’s ja auch nicht so mit der Heimwerkerei, aber … Aaaaaa!« Intrancos Ellbogen knackten besorgniserregend. Der Zauberer kam sich vor wie die hohe E-Saite einer Gitarre, die gerade auf Fis überstimmt wurde.
    »Und das ist für das Kaninchen meiner Nichte, für Hexi!«
    Die Nanowichte zuckten gepeinigt zusammen, dankten den Mächten des Schicksals dafür, daß man sie nicht mit empfindlichen Anatomien ausgestattet hatte, drehten nach links ab und setzten die Durchsuchung der Hochsicherheitszellen fort. Nimlet hatte eben seine zweite Zelle überprüft, da kam er schon wieder, aufs heftigste hyperoszillierend, in den Korridor zurück. »Ich hab’s gefunden! Ich hab’s gefunden!« summte er und war auf der Stelle wieder durch die verschlossene Tür verschwunden.
    »Was gefu … Oooh!« machten Udio und Skarg’l, nachdem auch sie durch die verschlossene Tür geflitzt waren. Hier lag er, der komplette Warenbestand aus Rudi Ramschers Kaufhaus in der Leimergasse, wie Kraut und Rüben in eine winzige Zelle gepackt! In Haufen türmten sich die Schachteln mit den Zauberformelfertigmischungen, lagen neben einer Unmenge achtlos abgestellter Mehrfachpackungen mit spruchreifem Magiekonzentrat, neben unzähligen Kisten mit Instantkaninchen. Stapelweise waren Zauberstäbe der billigsten Sorte neben nicht mehr wiederzuerkennende Gerätschaften hingeworfen, deren Herkunft ebenso unbekannt war wie ihr thaumarer Verwendungszweck. Und dort, ganz oben auf einem Haufen paillettenbesetzter Spitzhüte, thronte das Objekt, das sie gesucht hatten wie den Heiligen Gral: eine mattglänzende Glaskugel.
    Als es Quintzi kurz darauf erfuhr, machte er einen Freudensprung. Einen kleinen Freudensprung. Dann fauchte er: »Wurde aber auch langsam Zeit! Warum hat das eigentlich so lange gedauert?«
    »Es gibt hier ziemlich viele Räume …«, meinte Udio. »Die mußten wir alle erst überprüfen.«
    »Und wo ist sie, hä?« knurrte Quintzi. »Jetzt sagt mir doch, wo die Kristallkugel ist!«
    »Sagen? Wir sollen es dir sagen?« zierte sich Nimlet. »Von sagen war aber nie die Rede. Wir sollten sie finden … Aber sagen, wo sie ist …«
    »Witzbold! Sag endlich!« bettelte Quintzi.
    »Na gut, aber … Unter einer Bedingung.«
    »Welche Bedingung? Was für eine Bedingung? Laß schon hören!«
    »Wenn wir dir die Kristallkugel besorgen, dann besorgst du uns ein Frühstück!« feilschte Nimlet.
    »Und das ist alles?«
    »Ja, ja! Jetzt komm schon! Da rüber!«
    Es dauerte nicht lange, bis Udio den altersschwachen Mörtel am Fenster im Erdgeschoß so weit gelockert hatte, daß sich die Gitterstäbe herausziehen ließen. Nachdem dies geschehen war, kraxelte Quintzi mit arthritisch knackenden Gelenken und unter fortwährendem Gejammer über allerlei körperliche und sonstige Beschwerden auf die Fensterbank, hielt kurz still, schwankte, griff blind nach den Vorhängen, wollte sich festhalten und stürzte krachend ab. Und erst als er sich fluchend den Kopf hielt, erst da wurde ihm – viel zu spät! – klar, daß in Kerkerzellen kaum jemals Vorhänge

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