Die Nanowichte
hergestellt. Ein Rote Zelle! Mitten in Guldenburg!
Und jeder, absolut jeder von denen, die im Spucknapf gewesen waren, gehörte dazu! Sie hatten Intranco zur Flucht verholfen, mehr Beweise waren nicht nötig. Und wenn sie Intranco zur Flucht verholfen hatten, dann versteckten sie ihn jetzt wahrscheinlich irgendwo.
Von jetzt an würde jeder, der in der Öffentlichkeit etwas verrichtete, das auch nur annähernd magisch war, verhaftet, arretiert und zu einem ordentlichen Verhör in die Zellen des Amtes für Natürliche Ordnung geschleift werden. Und wenn er die ganze ihm noch verbleibende Zeit seines Lebens dafür opfern müßte: Diese Verschwörung würde aufgedeckt werden. Restlos. Dafür wollte er, Strappado, sorgen.
Natürlich auch dafür, daß Der Große Intranco nie wieder eine Vorstellung geben konnte.
Eine halbe Stunde später. In einer dunklen Ecke im düsteren Zentrum von Guldenburg stand ein Mann, einen Papagei auf der Schulter, und spähte vorsichtig über die Straße. Er seufzte.
»Seid ihr euch wirklich sicher, daß wir hier richtig sind?« fragte Quintzi Cohatl unglücklich.
»Völlig sicher«, hämmerten die Nanowichte in seinem Ohr. »Leimergasse 21-21b, genau da drüben.«
»Wird aber auch Zeit«, knurrte Quintzi. Nachdem man ihn zu nachtschlafender Zeit aus den Federn gescheucht hatte, war er stundenlang durch den Wald marschiert, war ungefrühstückt durch die finstern Gäßchen von Guldenburg geschlichen – kein Wunder, daß er nicht gerade gutgelaunt war. »Meine Knochen bringen mich um! Und ihr immer mit euren Sprüchen: Nur noch das Hügelchen hier runter, die kleine Steigung da rauf, jetzt bloß noch um die Kurve da vorn … Von wegen! Ein Gewaltmarsch war das! Mann, bin ich geschlaucht! Warum hab ich bloß auf euch gehört?«
»Weil du eine neue Kristallkugel willst. Darum«, wummerten die Nanowichte patzig. »Weil du, von dem einen müden Groschen in der linken Hosentasche einmal abgesehen, blank und völlig abgebrannt bist und weil deshalb deine Zukunft so rosig leuchtet wie die Bergwelt, wenn das Alpenglühen ausfällt.«
»Erzählt mir bloß nichts von Zukunftsaussichten!« murrte Quintzi. »Ich hab nie gesagt, ich geh was weiß ich wie weit für eine Kristallkugel! Jetzt gebt mir doch endlich eine Prise von diesem Thaumzeug! Meine Knochen bringen mich um!«
»Kein Stück!« trommelten die Nanos. »Es reicht kaum noch für uns!«
»Bitte«, bettelte er. »Ich kauf euch auch was, wenn ich reich bin. Meine Knie bringen …«
»Das Zeug kann man nicht kaufen!« fauchten die Nanowichte. »Das ist ein Naturprodukt. Es wächst wild – nach Vollmond auf der Südostseite von irgendwelchen komischen Bäumen.«
»Hört mal: Ich zermansch jetzt einfach mal ein paar von diesen Pilzen und …«
»Halt die Klappe!« fauchten die Nanos. Sie hatten in Quintzis Trommelfell Schwingungen registriert. Ganz bestimmte Schwingungen, die – wie sie bei ihren kurzen Aufenthalten in der Außenwelt gelernt hatten – nur eines bedeuten konnten: Gefahr.
»Was zum … Warum?« stotterte Quintzi. Dann hörte er es: Schritte! Sehr schnelle Schritte! Sie kamen immer näher.
Er hielt den Atem an. Eine furchterregende, finstere Gestalt bog mit rauchenden Schuhsohlen um die Ecke, rannte polternd durch die Leimergasse, bremste, kam schlitternd zum Stehen und hämmerte dröhnend an eine Tür.
»Rauskommen!« schrie Überwachtmeister Strappado. Er schlug mit beiden Fäusten auf den Türknopf von Hausnummer 21-21b ein und fuchtelte mit einem eilig ausgestellten Blatt Pergament herum. »Ich weiß genau, daß du da drin bist!«
»Nein, bin ich nicht!« kam es dumpf durch die Tür. Der Große Intranco klang ein wenig konfus, die Vorfälle im Spucknapf hatten ihn offensichtlich doch etwas aus der Fassung gebracht.
»Ha! Drangekriegt!« kreischte Strappado aufgeregt. »Leugnen gibt’s nicht mehr! Laß mich rein!«
»Abhauen da draußen! Der Laden ist geschlossen!«
»Ich hab hier einen Haftbefehl!«
»Wozu?«
»Um dich zu verhaften!«
»Was? Ich bin unschuldig!« Intranco kreuzte die Finger und wollte den Eindruck erwecken, als zitterten ihm die Knie. Es gelang ihm nicht.
»Ha! Und was ist mit Diebstahl von Gegenständen, die Eigentum des Amts für Natürliche Ordnung sind?« brüllte Strappado durchs Schlüsselloch.
»Hab ich nie …«
»Und was ist mit den Handschellen, die an deinem Armgelenk baumeln, he?«
»Ach die! Ich hab gedacht, die sind ein Geschenk! Wollen Sie sie zurück
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