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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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seinen Vater zu, indem es die Krücken nach vorne schob. Das linke, kräftige Bein stabilisierte die Bewegung, während das rechte regungslos blieb.
    »Schon gut, Anna«, sagte Dr. Chateaux und dann, an seine Tochter gerichtet, in einem viel schärferen Ton: »Habe ich dir nicht gesagt, dass ihr dieses Zimmer nie betreten dürft, wenn ich Besuch habe? Dass es mein Sprechzimmer ist? Dass ihr anklopfen müsst und warten, bis ich komme?«
    Das Mädchen senkte den Kopf, antwortete aber nicht. Es verschob das linke Bein seitwärts und setzte die Krücken neu auf.
    Chateaux stöhnte auf und wischte sich mit der Hand über die Stirn. »Verzeih, Liebes. Verzeih mir bitte. Ich bin nur in einer wichtigen Unterredung. Ich bin in zwei Minuten bei euch. Die Herren werden sich gleich verabschieden. Geht schon einmal zum Auto.«
    Anna fasste das Mädchen an der Schulter. Aber es wollte sich nicht helfen lassen, und dieser stumme Trotz imponierte Gerald. Es dauerte eine gewisse Zeit, bis die beiden Kinder und Anna den Raum verlassen hatten.
    Dirk Chateaux schaute zu Boden. Er wirkte plötzlich sehr müde. Als er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde und die drei auf dem Weg zur Garage waren, sagte er leise: »Ein Verkehrsunfall, vor anderthalb Jahren. Acht Operationen am Bein, bisher. Meine Frau hat das alles nicht verkraftet. Sie hat nach dem Unfall nicht mehr schlafen können, bis sie unter der Belastung zusammengebrochen ist. Sie ist seit mehreren Monaten in einer Klinik.« Nach einem kurzen Moment fügte er hinzu: »Im Wasser findet meine Tochter ihren Körper schön, verstehen Sie? Sie schwimmt sogar schneller als gesunde Kinder ihres Alters. Im Wasser kann sie vergessen. Und in der Luft. Ein Kollege von mir ist Segelflieger. Manchmal nimmt er sie mit zu einem Rundflug.«
    Gerald schaute auf die Bilder hinter dem Schreibtisch. Er hatte keine Zweifel, dass sie von der Tochter gemalt worden waren. In ihrer Phantasie wurde das Mädchen schwerelos, schwebte in der Luft.
    »Ich denke nicht, dass unser Gespräch in zwei Minuten beendet sein wird«, sagte Batzko ungerührt.
    Dr. Chateaux holte kurz Luft und legte die Fingerspitzen aneinander. »Es wird nicht in zwei Minuten zu Ende sein, sondern in genau diesem Moment. Sie haben gar nicht die Befugnis, mich hier festzuhalten. Ich hätte Ihnen nicht einmal die Tür öffnen müssen. Nur ein Staatsanwalt darf mich vorladen. Ich muss Sie und Ihren Kollegen nicht einmal zur Kenntnis nehmen, wenn ich nicht will. Halten Sie mich nicht zum Narren. In unserem Rechtsstaat gilt nicht länger das Faustrecht, obwohl Sie das mit Sicherheit äußerst bedauerlich finden werden.« Er sprach betont langsam, zelebrierte jedes Wort und schoss sein blitzschnelles Lächeln hinterher.
    Batzko verharrte regungslos, ohne den Therapeuten aus dem Blick zu entlassen. »Sie haben wohl auch in Rechtskunde einen Doktortitel erworben, Sie Neunmalkluger.«
    Gerald stand auf und stellte sich zwischen Chateaux und Batzko. »Ich denke doch nicht …«, begann er, als Batzko ihn vehement unterbrach: »Ich rate Ihnen dringend, uns nicht zu provozieren, Herr Dr. Chateaux. Welchen Termin schlagen Sie denn vor?«
    »Ich habe heute und morgen Vormittag berufliche Verpflichtungen in Regensburg und werde deshalb dort übernachten. Kommen Sie morgen Nachmittag, gegen sechzehn Uhr dreißig in mein Büro.«
    »Staatsanwälte haben viel zu tun. Sie verplempern ihre Zeit äußerst ungern mit dem Schreiben von Vorladungen. Das kommt gar nicht gut«, sagte Batzko, bevor ihn Gerald aus dem Sprechzimmer schob.

12
    Gerald hetzte die Treppe hoch. Die Tür war nur angelehnt. Er klopfte laut, trat in den Flur, zog sich das Jackett und die Schuhe aus.
    Nele kam aus dem Schlafzimmer, Severin auf dem Arm. Sie hatte sich ganz gegen ihre Gewohnheit geschminkt, der Lippenstift leuchtete wie eine rote Ampel in stockfinsterer Nacht. Nele empfand ihre Lippen eigentlich als zu schmal und unsinnlich und war deshalb auch immer zurückhaltend mit Lippenstift gewesen. Die Jeans saß hauteng, ebenso das schwarze Top, das er, soweit er sich erinnern konnte, noch nie an ihr gesehen hatte.
    »Entschuldige bitte«, sagte er und spürte die Irritation über ihr Outfit in seiner Stimme. »Ich bin zu spät, ich weiß, aber es ging einfach nicht früher. Der Mordfall …«
    Sie schaute ihn frontal an. Ihr Parfüm legte sich wie eine Wolke um seinen Kopf. »Wenn die Zeit sowieso schon abgelaufen ist, kommt es auf die paar Minuten auch nicht mehr an.«
    Sie

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