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Die Narbe

Die Narbe

Titel: Die Narbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schmitter
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mit einem Schnellhefter in der Hand näherte. Er trug einen hellblauen Anzug und eine Krawatte mit Oldtimer-Motiven. In seinem linken Ohrläppchen funkelte ein kleiner Diamant. Auf den letzten Schritten hüstelte er in seine linke Armbeuge. Nach der höflichen, steifen Begrüßung bat er die beiden Kriminalbeamten zu seinem Schreibtisch hinter dem Schalterbereich.
    »Was möchten Sie denn wissen?«, fragte er mit einer Stimme, die verriet, wie gerne er dieses Gespräch nicht geführt hätte. Seine Hände lagen ausgebreitet auf dem Schnellhefter, als wollte er ihn verdecken.
    »Das Golf-Handicap von Dr. Chateaux natürlich«, sagte Batzko und zog die Augenbrauen in die Höhe.
    Der Angestellte hüstelte wieder und schaute zur Seite. »Guter Joke. Das Handicap steht nicht in den Akten, und ich weiß nicht einmal, ob Dr. Chateaux diesen Sport betreibt. Okay, Sie wollen etwas über den finanziellen Status quo von Herrn Chateaux wissen?«
    »Wäre gut«, sagte Batzko trocken.
    »Nun …« Er öffnete den Schnellhefter, ohne jedoch einen Blick hineinzuwerfen. »Dr. Dirk Chateaux ist seit seiner Geburt bei uns Kunde. Bereits sein Vater ließ seine finanziellen Angelegenheiten von uns betreuen. Eine Tatsache, die uns« – er hüstelte wieder – »zu einer größeren Geduld verpflichtet, als wir sie bei einem anderen Kunden aufbringen würden.«
    »Im Klartext: Er ist über beide Ohren verschuldet«, sagte Batzko.
    »Ja und nein«, antwortete der Angestellte, und allmählich gewann sein Ton eine gewisse geschäftliche Glätte und Sicherheit. »Dr. Chateaux hat vor einem Jahr ein Haus gekauft in einer der besten Lagen dieser Stadt und großzügige Renovierungen und Umbauten in Auftrag gegeben. Er verdient als selbständiger Arzt sehr gut, keine Frage, aber die Höhe seines Kreditrahmens basierte auf einer Erbschaft in erheblichem Umfang. Genauer gesagt: auf der Erwartung einer Erbschaft in beträchtlichem Umfang. Diese Erbschaft – es handelt sich um das Vermögen seines Vaters, der vor einem halben Jahr verstorben ist – ist nun völlig überraschend, in letzter Minute, Anlass für einen schwierigen Rechtsstreit geworden. Ich darf aus Gründen des Persönlichkeitsrechts nicht näher ins Detail gehen, aber sowohl die Dauer des Rechtsstreits als auch dessen Ausgang sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht vorherzusagen. Vor drei Wochen noch schien alles auf eine außergerichtliche Einigung zuzulaufen. Das hätte alle Probleme auf einen Schlag beseitigt, aber dann haben sich die Fronten wieder verhärtet. Das passiert, bevorzugt in Fällen, in denen die streitenden Parteien persönlich oder familiär miteinander verbunden sind, aber das wissen Sie ja sicherlich. Da können tiefe Feindseligkeiten ins Spiel kommen, ebenso plötzlich wie unversöhnlich. Die Vernunft kann in diesen Fällen ihre Stimme leider nicht laut genug erheben. Jedenfalls, das Geld liegt auf einem Sperrkonto, es ist vorhanden, aber eben nicht greifbar, und das macht es für Dr. Chateaux, der sich, auch unserer Ansicht nach, im Recht glaubt, nicht eben einfach. Ich möchte hinzufügen, dass diese Bank Herrn Dr. Chateaux wie auch schon seinen Vater als sehr vertrauenswürdigen und zuverlässigen Kunden einstuft, aber angesichts des komplizierten Erbstreits … Sie verstehen schon.«
    »Also, unter uns Betschwestern: Der gute Mann hat jede Menge Probleme, seinen monatlichen Kreditverpflichtungen bei Ihnen nachzukommen.«
    Der Mann senkte den Kopf und antwortete leise. »Wie gesagt, wir sehen eine besondere Verpflichtung bei diesem Kunden …«
    »Mit anderen Worten: Wenn in den nächsten Wochen nichts Entscheidendes passiert, werden Sie den Hahn zudrehen und das Anwesen einer Zwangsversteigerung zuführen. Oder es vielleicht selbst zu einem Vorzugspreis erwerben – angesichts der langen Verbundenheit Ihrer Bank mit der Familie Chateaux?«
    Der Bankangestellte presste die Lippen aufeinander und zog es vor, die Frage nicht zu beantworten. Gerald räusperte sich demonstrativ. Warum musste sein Kollege eigentlich immer wie ein Rottweiler auftreten, wenn es um Ärzte, Börsianer oder Bankangestellte ging?
    »Können Sie in Ihren Unterlagen sehen, ob vor circa zwei, drei Monaten ein höherer Betrag von einer Person namens Alexander Faden auf das Konto von Dr. Chateaux eingegangen ist?«, fragte er höflich.
    Der Angestellte blätterte in den Unterlagen, fand eine entsprechende Seite und fuhr mit seinem Zeigefinger eine Zahlenkolonne ab.
    »In der Tat. Vor genau zwei

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