Die Narbe
vorbei in den Flur.
»Ach, sieh mal einer an. Wir kennen uns doch, oder?« Batzko, die Arme vor der Brust verschränkt, hatte die Wohnungstür lautlos geschlossen. Er betrat den Raum, hinter ihm näherte sich Franziska, die Gerald mit fragendem Blick anschaute. Sie hatte Batzko schließlich noch nie gesehen. »Na, fällt der Groschen? Fitnesscenter. Drücken, heben, stoßen. Dann an die Bar, Frauen anmachen. Das ist doch dein Ding, oder?«
Lutz fixierte Batzko und nickte. Er schien erleichtert, dass er Batzko in irgendeiner Weise zuordnen konnte. Sein Gesicht verzog sich zu seinem gewohnten aggressiv-selbstsicheren Grinsen, als würde er im Geiste die Kilos addieren, die Batzko stemmte, und mit denen vergleichen, die er selbst auflegte. Doch unversehens änderte sich sein Gesichtsausdruck, die Augen verengten sich. Er erhob sich aus dem Sessel. »Moment. Klar kenne ich dich, du bist doch der Bulle.«
Bevor irgendjemand reagieren konnte, hatte Lutz Franziska an sich gerissen und seinen linken Arm um ihren Hals gelegt. Mit der rechten Hand fuhr er in die Innentasche seiner Jacke, holte ein Skalpell heraus und drückte es an ihren Hals. Franziska schrie auf, Gerald hielt instinktiv seinen Arm vor Batzkos Körper, um ihn an einer unkontrollierten Bewegung zu hindern. Diesen Moment nutzte Lutz, um mit Franziska, dicht an sich gepresst, in die Diele vorzurücken.
»Kommt mir nicht zu nahe! Bleibt ja, wo ihr seid!«
»Du hast keine Chance, Lutz«, sagte Batzko und folgte ihm im Abstand von zwei Metern. »Auf der Straße stehen überall Polizisten. Du kommst keine zwei Schritt weit. Mach es nicht noch schlimmer. Gib auf!«
Lutz lachte hämisch. »Mit ihr komme ich überallhin, Bullenschwein.«
»Warum?«, fragte Gerald, um Lutz’ Konzentration auf sich zu lenken. »Warum erst Alexander und dann Arno?«
Wieder schloss Lutz kurz die Augen, und Gerald spürte, dass Batzko im Begriff war, diesen Moment auszunutzen. Aber da hatte sich Lutz bereits einen Schritt weiter zurückbewegt. Franziska wimmerte leise. Ihre schmalen Hände umklammerten Lutz’ Unterarm, in dem die Muskelstränge zuckten wie Schlangen. Sie alle standen nun in der Diele, Lutz am nächsten an der Wohnungstür.
»Warum? Ja, warum wohl? Weil sie Weiber haben. Alexander macht sich selbst zum Krüppel, und ich sehe bei jeder Sitzung, wie er und Franziska sich anschauen und wie sie mit Blicken vögeln.«
»Du bist also zu ihm in die Wohnung gefahren, um ihn umzubringen?«, wiederholte Gerald und spürte förmlich Batzkos Anspannung in seinem Rücken.
»Scheiße. Ich wollte nur zu ihm, von ihm hören, wie Krüppel ficken. Was er so dabei macht und was sie bei ihm tut, diese Schlampe hier, die mich in jeder Stunde bei diesem vollschwulen Therapeuten behandelt wie einen Asozialen. Die mir da draußen wahrscheinlich nicht einmal die Hand geben würde, weil ich keine fünfundzwanzig Fremdsprechen spreche, und die mich für so gebildet hält wie einen Autoreifen. Ich wollte wissen, ob sie seine Tattoo-Wunde geil findet. Ob sie daran leckt und so weiter. Aber unser sensibler Alexander, unser Künstler, war ganz entsetzt. Erst machte er einen auf Verständnis, und als das nichts gebracht hat, hat er sich fast in die Hosen gemacht, lief vor mir weg auf den Balkon. Ich wollte aber hören, wie die sich geil machen, und habe so ein bisschen mit dem Skalpell gefuchtelt. Da ist er in Panik geraten, der Schlappschwanz.«
Gerald hörte leise Kratzgeräusche aus der Küche. Niemand außer ihm schien sie gehört zu haben. Langsam bewegte er sich auf die Küchentür zu. Es waren nicht einmal zwei Schritte, bis er sie in seinem Rücken hatte. »Und das sollen wir dir glauben? Dass er von selbst von seinem Balkon gefallen ist, wo ihm das Schutzgitter bis über die Hüfte reichte? Nein, das heb dir mal für deinen Anwalt auf. Und bei Arno? Er wird ja kaum in diesen Zettelspieß gefallen sein und sich dann wieder auf den Stuhl gesetzt haben, oder?«, sagte er und öffnete im selben Moment die Küchentür einen Spalt breit.
»Ja, ja, der gute alte Arno. So intelligent wie Einstein. Mindestens. Arno hat eine Frau, und dieser Scheißkerl will sich für den Rest seines Lebens in einen Rollstuhl setzen, und seine Frau bleibt wahrscheinlich immer noch bei ihm. Ich hab die Frauen auch, ich muss nur ins Schwimmbad gehen, und sie laufen hinter mir her, dass ich sie an einer Schnur aufreihen kann. Sie warten nur darauf, dass ich sie anmache. Wir gehen was trinken, ich lade sie zu mir
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