Die Naschmarkt-Morde
an.«
Eine Einstellung, mit der er keineswegs allein dastand. Im Gegenteil: Die Wiener und Wienerinnen waren – wie unzählige Quellen bezeugen – seit jeher fröhliche Esser und Trinker, die es sich an nichts abgehen ließen und die mit Hingabe den leiblichen Genüssen frönten. In diesem Paradies der Phäaken 22 leistete sich der Hofrat eine Köchin, die in der Küche von Erzherzog Ludwig Viktor ihr Handwerk gelernt hatte. Ihm gelang die Abwerbung der Köchin, weil fast alle Mitglieder der Familie Habsburg bei der Bezahlung ihres Personals äußerst knauserig waren.
30 Flusskrebse wurden in einem kupfernen Topf gekocht und, sobald sie gar waren, von ihren Scheren und Schalen befreit. Eine Arbeit, die Mizzi hasste, weil sie sich beim Auslösen regelmäßig die Finger verbrannte. Andererseits wusste sie genau, dass man Krebse nur heiß auslösen konnte, da nach dem Erkalten Schalen und Fleisch fest zusammenklebten. Die Litzelsbergerin bereitete die Fülle der Krebskrapferln zu: Sie trieb vier Esslöffel Butter ab 23 , gab fein gehacktes Flusskrebsfleisch der Scheren und Schwänze dazu, ferner abgezogene, geriebene Mandeln, Zucker, eine abgeriebene in Rahm aufgeweichte Semmel, drei ganze Eier, drei Eidotter, etwas Salz und fein gestoßenen Pfeffer. Diese Masse wurde einmal mehr gut abgetrieben. Inzwischen streute Mizzi Mehl auf das Nudelbrett, schnitt etwas frische Butter hinein und verarbeitete das Ganze mit Eiern sowie Eidottern, etwas Salz und Zucker zu einem Teig. Dieser wurde dünn ausgewalkt, und zwar in zwei Blätter. Auf einem Blatt wurden sodann mit dem Krapfenstecher Eindrücke gemacht, deren Ränder mit Ei bestrichen und kleine Häufchen von Krebsfülle auf die ausgestochenen Stellen gelegt. Als dies so weit gediehen war, legte die Köchin das zweite Teigblatt darüber und stach nun die Krapfen heraus. Da bis zum Abendessen noch Zeit war, wurden die rohen Krebskrapfen auf ein trockenes, mit Mehl bestaubtes Tuch gegeben und in der Speisekammer gelagert. Später würden sie dann in heißem Schmalz goldgelb herausgebacken werden. Gerade als Mizzi die Krebskrapfen vorsichtig in die Speisekammer trug, läutete es. Die Litzelsbergerin ging zur Tür, vor der der Fleischhauer-Lehrbub stand. Er drückte ihr zwei Päckchen in die Hand.
»Das hat mir mein Geselle aufgetragen, Ihnen zu bringen. Küss die Hand und auf Wiederschaun …«
Damit machte er am Absatz kehrt und verschwand blitzartig im Stiegenhaus. Die Litzelsbergerin kannte den Lehrbuben von früheren Zustellungen und wusste, dass er schüchtern war und dass sein eiliges Verschwinden keineswegs eine Unhöflichkeit darstellte. Was sie aber wunderte, war die Tatsache, dass er ihr zwei Päckchen in die Hand gedrückt hatte. Noch verwunderlicher war, dass sie in dem einen Päckchen ihr bestelltes Kalbshirn, in dem anderen aber Speck, Rinderknochen sowie ein herrliches Rumpsteak vorfand. Neugierig lugte ihr die Mizzi über die Schulter und rief bei dessen Anblick: »Jö! Das Fleisch schaut aus wie gemalt!«
»Das ist ein Rumpsteak …«, murmelte die Litzelsbergerin und untersuchte das zweite Päckchen genau. Dabei fiel ihr ein zwischen die Spagatschnüre gesteckter Zettel in die Hände, auf dem sich die Adresse des Bestellers befand: Inspector Joseph Maria Nechyba, Papagenogasse 2.
Die Köchin wandte sich an das Dienstmädel: »Mizzi … Weißt du, wo die Papagenogasse ist?«
»Freilich, Frau Aurelia. Das ist ein schmales Gasserl zwischen dem Theater an der Wien und dem Getreidemarkt.«
»Genau. Dann packen wir jetzt das Rumpsteak, den Speck und die Knochen wieder ein, und du tragst das zu dem Herrn Inspector in die Papagenogasse. Der wartet sicher schon drauf und wird sich wundern, wo der dumme Fleischhauerbub mit seinem Packerl geblieben ist.«
»Schade …«, schmollte Mizzi, »ich habe schon gehofft, dass wir beide das Rumpsteak heute Abend essen würden …«
Die Litzelsbergerin musterte das Dienstmädchen mit einem langen, kühlen Blick, sodass dieses einen roten Kopf bekam. Sie setzte sich an den Küchentisch und schrieb ein kurzes Brieferl, das sie der Mizzi samt dem wieder zugeschnürten Packerl mit den Worten »Geh jetzt!« in die Hand drückte.
Sie wandte sich dem Kalbshirn zu, das sie unter der Wasserleitung von Blut und Knochensplittern befreite. Und während Mizzi in Richtung Papagenogasse unterwegs war, blanchierte die Köchin das Kalbshirn und ließ es danach eine halbe Stunde in Salzwasser kochen. Währenddessen bereitete sie
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