Die Nebel von Avalon
Gebärerin, der Großen Mutter…
Die Priesterin legte Morgaine auf ein Lager aus Hirschfellen. Einen Augenblick lang war ihr kalt, und sie fürchtete sich sehr. Sie zitterte; die alte Frau krauste voller Mitleid die Stirn. Sie nahm Morgaine in die Arme und küßte sie auf den Mund. Morgaine klammerte sich an die alte Frau und drückte sie in plötzlicher Angst an sich, als seien die schützenden Arme der Frau die Arme ihrer Mutter… die Priesterin lächelte sie an, küßte sie noch einmal. Dann berührte sie segnend ihre Brüste und ging.
Morgaine ruhte auf dem Lager und fühlte, wie das Leben der Erde sie umgab; sie schien sich auszudehnen, die ganze Höhle auszufüllen. Die kleinen geritzten Bilder waren auf ihren Brüsten und auf der Haut des Bauches, und über ihr dräute die große, schreitende Kreidegestalt – Hirsch oder Mann – mit dem hochaufgerichteten Geschlecht … der unsichtbare Mond draußen überflutete ihren Körper mit Licht, als die Göttin von ihrem Körper und ihrer Seele Besitz ergriff. Sie streckte die Arme aus und wußte, daß vor der Höhle im Licht der Fruchtbarkeitsfeuer Männer und Frauen, die vom schäumenden Strom des Lebens zueinander gezogen wurden, sich auf ihren Befehl vereinigten. Das kleine, blaubemalte Mädchen, das mit dem befruchtenden Blut über die Felder gelaufen war, wurde in die Arme eines alten sehnigen Jägers gelegt; Morgaine sah, wie sich die Kleine kurze Zeit wehrte, aufschrie und unter seinem Körper begraben wurde, während sich ihre Schenkel auftaten – bezwungen von der unwiderstehlichen Kraft der Natur. Morgaine sah es, ohne etwas zu sehen. Sie schloß die Augen vor der blendenden Fackel und hörte die Schreie.
Er stand im Eingang der Höhle. Das Geweih war von der Stirn verschwunden. Die Haare fielen ihm in Strähnen ins Gesicht. Sein Körper war blau bemalt und blutbefleckt. Die blasse Haut war so weiß wie die riesige Figur an der Decke der Höhle… der Gehörnte, der Gefährte war gekommen… Er bewegte sich benommen. Auch er war nackt und trug ein Gewinde um die Hüften. Sie sah sein zuckendes, aufgerichtetes Geschlecht, in dem das Leben pulsierte wie bei der weißen Figur an der Decke. Er kniete neben ihr nieder, und im Licht der Fackel sah sie erstaunt, daß er kaum mehr als ein Junge war – keiner aus dem dunklen, Kleinen Volk, sondern groß und blond…
Warum haben sie nicht einen der ihren zum König gewählt?
Der Gedanke durchzuckte Morgaine wie ein Mondstrahl. Dann war er ausgelöscht, und sie dachte nichts mehr.
Es ist Zeit für die Göttin, den Ge
hörnten willkommen zu heißen…
Er kniete am Rand des Fellagers und schwankte geblendet vom Licht der Fackel. Sie griff nach seinen Händen, zog ihn zu sich hinunter und spürte den geschmeidigen, warmen, kräftigen Körper. Sie mußte ihn führen:
Ich bin die Große Mutter, die alles weiß… die Jungfrau, die Mutter, die Allwissende. Ich führe die Jungfrau und ihren Gefährten…
Benommen, erschrocken und erregt zugleich spürte sie halb unbewußt, wie die Kräfte des Lebens von ihnen Besitz ergriffen. Sie bewegte ihren Körper willenlos, bewegte auch ihn, der auf ihr lag, führte ihn ungestüm in sich, bis sie sich beide bewegten, ohne zu wissen, welche Macht sie dazu trieb. Sie hörte sich wie in großer Ferne aufschreien und hörte seine hohe, flirrende Stimme, die das Schweigen durchbrach. Keiner von beiden sollte je erfahren, was sie in diesem Augenblick gerufen hatten. Die Fackel knisterte und verlosch.
In der Dunkelheit zerstob die rasende Wildheit seines jungen Körpers und ergoß sich in ihren Leib. Er stöhnte und fiel über sie, und nur sein keuchender Atem verriet, daß er lebte. Sie schob ihn sanft von sich, wiegte ihn in ihren Armen und umfaßte ihn voller Erschöpfung und Wärme. Sie spürte, wie er ihre nackten Brüste küßte. Dann beruhigte sich allmählich sein Atem.
Bald wußte sie, daß er in ihren Armen schlief. Sie küßte seine Haare und seine weichen Wangen mit wilder Zärtlichkeit… und schlief ebenfalls ein.
Als Morgaine erwachte, war viel Zeit vergangen. Das Mondlicht drang in die Höhle. Sie fühlte sich unendlich müde. Ihr ganzer Körper schmerzte. Sie griff sich zwischen die Beine und wußte, daß sie blutete. Sie warf die feuchten Haare aus dem Gesicht und sah auf den blassen ausgestreckten Körper des Mannes hinunter, der neben ihr den tiefen Schlaf der Erschöpfung schlief. Er war groß und stark und schön. Aber im Mondlicht konnte sie seine Züge
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