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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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nicht deutlich erkennen. Das magische Gesicht hatte sie verlassen; jetzt gab es nur noch Helligkeit des Mondes, nicht mehr das alles überstrahlende Gesicht der Göttin. Sie war Morgaine und nicht mehr der Schatten der Großen Mutter; sie war wieder die Priesterin und wußte um das Geschehene.
    Einen Augenblick lang dachte sie an Lancelot, den sie geliebt und dem sie das Geschenk hatte machen wollen. Jetzt gehörte es nicht dem einst geliebten Mann, sondern einem namenlosen Fremden… nein, das durfte sie nicht denken. Sie war keine Frau, sondern Priesterin. Sie hatte die Kraft der Jungfrau dem Gehörnten gegeben, wie es ihr Schicksal schon bestimmte, noch ehe die Welt geschaffen war. Dies war ihr Los als Priesterin von Avalon. Sie hatte getan, was sie tun mußte.
    Morgaine fror, legte sich wieder auf das Lager und zog die Fell-decke über sich. Man hatte das Lager mit stark duftenden Kräutern bestreut; sie rümpfte leicht die Nase über den scharfen Geruch. Sie kannte die Zeiten des Tages und wußte, daß die Sonne bald aufgehen würde. Der junge Mann spürte ihre Bewegung und richtete sich schlaftrunken auf.
    »Wo sind wir?« fragte er. »Ach ja, ich erinnere mich… in der Höhle. Oh, es wird schon hell.« Er lächelte und griff nach ihr. Er zog sie an sich, küßte sie und nahm sie in seine starken Arme. »Gestern abend warst du die Göttin«, murmelte er, »heute morgen wache ich auf und stelle fest, du bist eine Frau.«
    Sie lachte leise: »Und du? Bist du nicht der Gott, sondern ein Mann?«
    »Ich glaube, mir reicht es, ein Gott gewesen zu sein, und außerdem, glaube ich, ist es für einen Menschen aus Fleisch und Blut höchst anmaßend, wie Gott sein zu wollen«, sagte er und preßte sie an sich. »Ich bin zufrieden, ein Mann zu sein.«
    Morgaine erwiderte: »Vielleicht gibt es eine Zeit, in der man Göttin und Gott sein muß, und eine Zeit, in der man nur Fleisch und Blut ist.«
    »Gestern abend habe ich mich vor dir gefürchtet«, gestand er. »Ich hielt dich für die überlebensgroße Göttin… und dabei bist du so zierlich!« Plötzlich blinzelte er und sagte: »Oh, du sprichst meine Sprache. Es war mir noch nicht aufgefallen… du gehörst also nicht zu diesem Volk.«
    »Ich bin eine Priesterin der Heiligen Insel.«
    »Und die Priesterin ist eine Frau«, stellte er fest, und seine Hände glitten sacht über ihre Brüste, die sich unter der Berührung plötzlich verlangend regten. »Glaubst du, die Göttin wird zürnen, wenn ich die Frau ihr vorziehe?«
    Morgaine lachte: »Die Göttin kennt die Männer.«
    »Und ihre Priesterin?«
    Plötzlich überfiel sie Scheu. »Ich habe vorher noch keinen Mann gekannt«, sagte sie, »und gestern war es die Göttin, nicht ich…« Er zog sie an sich und sagte in die Dämmerung: »Da der Gott und die Göttin ihre Lust gehabt haben, sollten der Mann und die Frau sie nicht auch kennenlernen?« Seine Hände wurden kühner, und sie zog ihn an sich.
    »Es scheint nur richtig«, antwortete sie. Dieses Mal konnte Morgaine es in vollem Wissen ihrer Weiblichkeit genießen – die Sanftheit und Härte, die starken jungen Hände und die überraschende Zärtlichkeit, die sich hinter seiner Kühnheit verbarg.
    Sie lachte voll Entzücken über diesen unerwarteten Genuß, öffnete sich ihm und gab sich ihm hin, denn sie empfand seine Freude als ihre eigene. Noch nie im Leben war sie so glücklich gewesen. Hinterher lagen sie ineinander verschlungen und liebkosten sich in wohliger Erschöpfung. Es wurde hell, und er sagte schließlich seufzend: »Sie werden mich bald holen kommen. Mir steht noch mehr bevor… man bringt mich irgendwohin und gibt mir ein Schwert, und ich weiß nicht, was sonst noch.« Er setzte sich auf und lächelte sie an. »Ich würde mich gern waschen und mich wie ein gesitteter Mensch bekleiden, dieses Blut und all die blaue Farbe loswerden… wie schnell doch alles vorbei ist. Gestern abend war mir nicht einmal bewußt, daß ich über und über mit Blut besudelt war… sieh nur, auch an deinem Körper klebt Hirschblut, weil ich auf dir lag…«
    »Ich glaube, wenn sie mich holen, werden sie mich im Fluß baden und mir frische Gewänder bringen«, sagte sie, »und dir vermutlich auch.«
    Er seufzte mit leichter Trauer in der Stimme. Wie konnte er so jung sein, dieser Riese, der mit dem Königshirsch gekämpft und ihn mit dem Messer erlegt hatte?
    »Vermutlich werde ich dir nie wieder begegnen«, sagte er, »du bist eine Priesterin und der Göttin geweiht. Aber

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