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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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liebe Base«, sagte sie freundlich. »Willkommen zu Hause, Morgaine.«
    Morgaine sprach den Namen aus, den sie nur in ihren Träumen gehört hatte, bis Kevin es ihr bestätigte. »Ich grüße Euch, Niniane. Ich bringe Euch Vivianes Enkeltochter, damit sie hier erzogen wird. Ihr Name ist Nimue.«
    Niniane betrachtete sie neugierig. Morgaine dachte:
Was hat sie wohl in all den Jahren über mich gehört?
Aber dann wendete sie den Blick ab und neigte sich zu dem Mädchen hinunter. »Und du bist Galahads Tochter?« fragte Niniane.
    »Nein«, erwiderte Nimue, »Galahad ist mein Bruder. Ich bin die Tochter des edlen Ritters Lancelot.«
    Niniane lächelte: »Ich weiß«, sagte sie, »aber hier benutzen wir nicht den Namen, den die Sachsen deinem Vater gaben. Er trägt denselben Namen wie dein Bruder. Sag mir, Nimue, bist du gekommen, um Priesterin zu werden?«
    Nimue warf einen Blick auf die sonnendurchflutete Insel. »Das hat mir meine Tante Morgaine gesagt. Ich möchte lesen, schreiben und Harfe spielen lernen. Ich möchte etwas über die Sterne wissen und alles, was meine Tante auch weiß. Seid ihr hier wirklich böse Zauberinnen? Ich dachte, eine Zauberin ist alt und häßlich. Aber du bist sehr schön.« Sie biß sich auf die Lippen. »Ich bin wieder ungezogen.«
    Niniane lachte. »Sprich immer die Wahrheit, liebes Kind. Ja, ich bin eine Zauberin. Ich weiß, ich bin nicht häßlich, aber du mußt selbst entscheiden, ob ich gut oder böse bin. Ich versuche, den Willen der Göttin zu erfüllen. Mehr kann ein Mensch nicht tun.«
    »Ich will es auch versuchen, wenn du mir sagst, was ich tun muß«, erklärte Nimue.
    Die Sonne versank hinter dem Horizont, und plötzlich lag das Ufer im grauen Zwielicht. Niniane gab ein Zeichen. Ein Diener hielt eine brennende Fackel in der Hand und entzündete damit eine zweite. Das Licht wanderte schnell von Hand zu Hand, bis schließlich der Schein vieler Fackeln das Ufer erhellte.
    Niniane strich dem kleinen Mädchen über die Wange und sagte: »Willst du dich den Regeln hier unterwerfen und den Frauen gehorchen, die für dich sorgen, solange du noch nicht alt genug bist, um den Willen der Göttin selbst zu erkennen?«
    »Ich will es versuchen«, erwiderte Nimue. »Aber ich bin so vergeßlich und stelle immer zu viele Fragen.«
    »Du darfst so viele Fragen stellen wie du willst, wenn die Zeit dazu gekommen ist«, antwortete Niniane. »Du bist den ganzen Tag geritten, und es ist schon spät. Deshalb gebe ich dir heute abend den ersten Befehl: Sei ein gutes Mädchen, geh jetzt zum Abendessen, dann wäschst du dich und gehst schlafen. Verabschiede dich von deiner Tante und gehe mit Lheanne in das Haus der Jungfrauen.« Sie winkte einer kräftigen, mütterlich wirkenden Frau im Gewand einer Priesterin.
    Nimue wirkte eingeschüchtert und fragte: »Muß ich mich jetzt schon verabschieden? Wirst du morgen nicht noch einmal zu mir kommen, Tante Morgaine? Ich dachte, ich würde hier bei dir bleiben.«
    Morgaine entgegnete liebevoll: »Nein, du mußt jetzt in das Haus der Jungfrauen gehen und tun, was man dir sagt.« Sie küßte die rosigen Wangen. »Die Göttin segne dich, mein Liebes, wir werden uns wiedersehen, wenn sie es will.« Und als Morgaine die Worte sprach, sah sie Nimue als erwachsene Frau. Sie war blaß und ernst. Auf ihrer Stirn leuchtete der blaue Halbmond, und der Schatten der Todesbotin…
    Morgaine schwankte, und Niniane stützte sie. »Ihr seid erschöpft, Herrin Morgaine. Schickt die Kleine zu Bett und folgt mir. Wir können uns morgen unterhalten.« Niniane drückte noch einen letzten Kuß auf Nimues Stirn, und das Mädchen ging an Lheannes Seite zum Haus der Jungfrauen. Morgaine spürte, wie dunkler Nebel sich über ihre Augen legte. Niniane reichte ihr den Arm und sagte: »Stützt Euch auf mich. Kommt in mein Haus. Dort könnt Ihr Euch ausruhen.«
    Niniane brachte sie zu dem Haus, in dem Viviane gelebt hatte, und überließ ihr die Kammer, in der die diensttuende Priesterin der Herrin vom See schlief. Allein gelassen gelang es Morgaine, sich wieder zu sammeln. Einen Augenblick lang überlegte sie, ob Niniane sie in diese Kammer gebracht hatte, um zu betonen, daß sie und nicht Morgaine die Herrin vom See war… dann verscheuchte sie diesen Gedanken. Solche Intrigen paßten an den Hof, nicht nach Avalon. Niniane hatte ihr den angenehmsten und ruhigsten Raum gegeben, der zur Verfügung stand. Früher hatte Raven hier in heiligem Schweigen gelebt, damit Viviane sie unterrichten

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