Die Nebel von Avalon
ihm treu ergeben, und er würde einem Freund nie die Frau nehmen…?«
»Wenn ich je sein Freund war, jetzt bin ich es nicht mehr«, entgegnete Gorlois, und sein Gesicht glühte vor Zorn. »Glaubt Ihr wirklich, ich würde einen Mann unterstützen, der meine Frau vor den Augen der Edlen des ganzen Landes begehrt und mich so demütigt?«
»Das hat er nicht getan«, rief Igraine weinend. »Ich habe noch nicht einmal seine Lippen berührt!« Alles schien so widersinnig. Sie hatte Uther wirklich begehrt, sich aber gerade deshalb von ihm ferngehalten.
Wenn ich schon angeklagt werde, obwohl ich völlig unschuldig bin – selbst Gorlois kann nichts anderes sagen –, hätte ich ebensogut tun können, was Uther wünschte.
»Mir ist nicht entgangen, wie Ihr ihn angesehen habt! Und seit Eurer ersten Begegnung mit Uther wolltet Ihr mit mir nicht mehr schlafen, treulose Hure!«
»Wie könnt Ihr es wagen!« schrie Igraine in ohnmächtiger Wut, ergriff den Silberspiegel, den Gorlois ihr geschenkt hatte, und warf ihn nach ihm. »Nehmt dieses Wort zurück, oder ich schwöre, ich werde mich in den Fluß stürzen, ehe Ihr mich noch einmal berührt! Ihr lügt, und Ihr wißt, daß Ihr lügt!«
Gorlois duckte sich rasch, und der Spiegel flog gegen die Wand. Igraine riß sich die Bernsteinkette vom Hals – ein weiteres Geschenk von ihm – und schleuderte sie dem Spiegel nach. Fieberhaft riß sie sich das neue Gewand vom Leib und warf es ihm an den Kopf. »Wie könnt Ihr es wagen, mich so zu beschimpfen! Ihr habt mich mit Geschenken überhäuft wie eine Eurer Lagerdirnen. Wenn ich eine Hure bin, so zeigt mir die Geschenke, die ich von meinen Liebhabern bekommen habe! Alle Geschenke, die ich besitze, stammen von meinem Gemahl, dem Hurensohn mit dem Schandmaul, der versucht, mich für seine Lust zu kaufen, weil seine Priester ihn zu einem halben Eunuchen gemacht haben. Von jetzt an werde ich nur noch tragen, was ich selbst webe und nicht mehr Eure widerwärtigen Geschenke. Ihr seid ein Schuft! Eure Gedanken und Eure Worte sind so schmutzig wie Eure abscheulichen Küsse!«
»Schweig, böses Weib!« schrie Gorlois außer sich und schlug sie so heftig, daß sie zu Boden fiel. »Jetzt steh auf und bedecke dich, wie es sich für die Frau eines Christenmenschen ziemt! Du wirfst deine Kleider von dir, damit ich den Verstand verlieren soll, wenn ich dich ansehe. Hast du auf diese Weise meinen König in deine Arme gelockt?«
Igraine stand mühsam auf, versetzte dem zerfetzten Kleid einen Fußtritt, stürzte sich auf Gorlois und schlug heftig auf ihn ein. Er packte sie, versuchte sie festzuhalten und preßte sie an sich. Igraine war stark, aber Gorlois war ein großer Mann und ein Krieger. Nach kurzem Widerstand gab sie auf, da sie wußte, sie würde unterliegen. Während Gorlois sie zum Bett drängte, flüsterte er: »Ich werde dich lehren, einen anderen Mann so anzuschauen!«
Igraine warf den Kopf zurück und sagte voll Verachtung: »Ich verabscheue Euch wie eine giftige, widerliche Schlange! Nie mehr werde ich etwas anderes in Euch erblicken! O ja, Ihr könnt mich aufs Bett werfen und mich zwingen, Euch zu Willen zu sein. Nur zu, Eure Christenfrömmigkeit gestattet Euch, mit der eigenen Gemahlin gegen ihren Willen zu verkehren. Ihr könnt sagen, was Ihr wollt, Gorlois. Ich weiß in meinem Herzen, daß ich unschuldig bin! Bis zu diesem Augenblick fühlte ich mich schuldig, weil ich glaubte, irgendein Zauber zwinge mich, Uther zu lieben. Jetzt wünsche ich, ich hätte getan, worum er mich bat. Und sei es nur, weil Ihr nur zu bereitwillig den Lügen glaubt, die mich schuldig sprechen, und nicht der Wahrheit. Während ich mich um meine Ehre und die Einige sorge, wollt Ihr gerne glauben, ich würde meine Ehre in den Wind schlagen!«
Die grenzenlose Verachtung in ihrer Stimme brachte Gorlois dazu, Igraine loszulassen. Er starrte sie an und fragte mit gepreßter Stimme: »Stimmt das wirklich, Igraine? Seid Ihr wirklich unschuldig? Habt Ihr Euch nichts vorzuwerfen?«
»Glaubt Ihr, ich würde mich soweit erniedrigen, es zu leugnen,
Euch
zu belügen?«
»Igraine, Igraine!« stammelte Gorlois demütig, »ich weiß sehr wohl, ich bin zu alt für Euch. Ihr wurdet mir ohne Liebe und gegen Euren Willen zur Frau gegeben. Aber ich dachte, in der letzten Zeit über hättet Ihr eine bessere Meinung von mir bekommen. Und als ich Euch vor König Uther weinen sah…«, seine Stimme brach, »… konnte ich es nicht ertragen, daß Ihr diesen verderbten und
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