Die Nebel von Avalon
stellen. Was geschah, geschah einfach wie im Traum. Es gab keinen Grund, Fragen zu stellen. Aber
sie
durfte den Kopf nicht verlieren…
»Königin Morgaine«, sagte einer der Männer aus dem dunklen schönen Volk, das wie die Vorfahren oder die Traumbilder des kleinen dunklen Volks von Avalon wirkte. »Unsere Königin erwartet Euch und freut sich, Euch begrüßen zu dürfen. Und Ihr, König Artus, sollt mit uns beim Mahl sitzen…«
»Nach diesem Ritt durch den Nebel ist mir ein Bissen sehr willkommen«, erwiderte Artus gutgelaunt. Der Mann führte sein Pferd in den Wald.
»Kennst du die Königin dieses Landes, Morgaine?« »Ich kenne sie, seit ich ein junges Mädchen war.«
Sie hat mich verspottet… und bot mir an, mein Kind in die Feenwelt aufzunehmen…
»Wie erstaunlich, daß sie nie nach Camelot kam, um mir den Treueeid zu leisten«, überlegte Artus stirnrunzelnd. »Ich kann mich nicht erinnern, aber ich glaube, schon einmal etwas von der Burg Chariot gehört zu haben… vor langer, langer Zeit. Aber ich kann mich nicht mehr genau erinnern.« Und dabei ließ er es bewenden. »Die Menschen hier scheinen jedenfalls freundlich zu sein. Empfehle mich der Königin, Morgaine. Bestimmt werde ich sie beim Mahl sehen.«
»Bestimmt«, erwiderte Morgaine und beobachtete, wie die Männer mit ihm davongingen.
Ich muß einen klaren Kopf behalten. Ich werde die Zeit an meinem Herzschlag messen. Ich darf mich nicht verzählen, sonst werde ich davongetragen und verstricke mich in meinen eigenen Zauber…
Sie bereitete sich auf das Zusammentreffen mit der Königin vor. Sie war unverändert, immer dieselbe… die Große Frau, die sie aber doch an Viviane erinnerte, als seien sie und Morgaine miteinander verwandt.
Die Königin umarmte und küßte sie wie eine nahe Verwandte. »Was führt dich aus freien Stücken in unser Land, Morgaine, die Fee?« fragte sie. »Dein Ritter ist hier. Eine meiner Hofdamen hat ihn gefunden…«, sie machte eine Geste, und Accolon stand vor ihr. »Sie haben ihn gefunden, als er allein durch das Schilf irrte, weil er in dem Nebel den Weg verloren hatte…«
Accolon griff nach Morgaines Hand, und sie spürte ihn fest und wirklich… und doch wußte sie nicht einmal, ob sie im Freien oder in einem Raum standen, ob der gläserne Thron der Königin in einem wunderbaren Hain oder im mächtigen Gewölbe einer großen Halle sich befand, die prächtiger war als die Halle der runden Tafel in Camelot. Accolon kniete vor dem Thron. Die Feenkönigin legte ihm die Hände auf den Kopf, hob einen seiner Arme, und die Schlangen am Handgelenk schienen sich zu bewegen und begannen sich zu ringeln. Sie krochen hinüber auf die Hand der Königin, die gedankenverloren mit ihnen spielte und die kleinen blauen Köpfe streichelte. »Du hast gut gewählt, Morgaine«, sagte sie. »Ich glaube nicht, daß er mich je verraten würde. Sieh doch, Artus hat gut getafelt, und dort liegt er…«
Eine Mauer schien sich zu öffnen, und Morgaine sah Artus im fahlen Licht. Er schlief; einen Arm hatte er unter sein Haupt und den anderen um den Körper einer jungen Frau mit langen dunklen Haaren gelegt. Sie schien eine Tochter der Königin zu sein… glich aber auch Morgaine.
»Natürlich wird er glauben, daß du es bist und daß alles ein Traum war, den ihm der Böse geschickt hat«, erklärte die Königin lächelnd. »Er hat sich so weit von uns entfernt, daß er die Erfüllung seines heißesten Wunsches als Schande betrachtet… Wußtest du das nicht, Morgaine, meine Liebe?« Morgaine glaubte wie im Traum, Vivianes kosende Stimme zu hören. Aber die Königin fuhr fort: »Deshalb schläft der König in den Armen der Frau, die er bis zum Tode lieben wird… Und was geschieht, wenn er erwacht? Wirst du ihm Excalibur nehmen und ihn nackt und bloß am Seeufer aussetzen, wo er dich für immer im Nebel suchen wird?«
Morgaine erinnerte sich plötzlich an das Pferdeskelett unter den Feenbäumen… »Das nicht«, sagte sie schaudernd. »Dann soll er hierbleiben. Aber wenn er wirklich so fromm ist, wie du sagst, und sich an die Gebete erinnert, die ihm die Einbildung rauben, wird alles verschwinden, und er wird sein Pferd und sein Schwert verlangen… Was sollen wir dann tun?«
Accolon sagte grimmig: »Ich werde Excalibur tragen. Es steht ihm frei, es mir abzunehmen.«
Die dunkelhaarige junge Frau trat zu ihnen. In ihrer Hand lag Excalibur. Es steckte in der Scheide. »Ich habe es ihm abgenommen, während er schlief«, sagte sie,
Weitere Kostenlose Bücher