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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Raven. »Ich habe in all diesen Jahren im Schutz von Avalon gelebt. Jetzt fordert Ceridwen, unsere Große Mutter, daß ich den Schutz und die Si
    cherheit verlasse, die sie mir gewährte… aber ich fürchte mich, ich fürchte mich so sehr. Halte mich fest, Morgaine, halte mich fest, ich fürchte mich so sehr…«
    Morgaine nahm sie in die Arme, küßte sie und wiegte sie wie ein Kind. Dann schienen sie gemeinsam in ein großes Schweigen zu fallen. Morgaine drückte Raven an sich, liebkoste und streichelte sie, und ihre Körper drängten sich wie in Raserei aneinander. Sie sprachen beide kein Wort. Aber Morgaine spürte, daß die Welt in einem merkwürdigen und heiligen Rhythmus erbebte. Sie lag nicht im Licht, sondern in der Finsternis der dunklen Seite des Mondes – im Schatten des Todes bekräftigte die Frau der Frau das Leben. So wie Jungfrau und Mann im Licht des Frühlingsmondes und der Beltanefeuer im Brausen des Frühlings und der Brunst das Leben bestätigten, das ihm den Tod auf dem Feld und ihr den Tod im Kindbett bringen würde, so riefen im Schatten und in der Dunkelheit des geopferten Gottes, im Schatten des dunklen Mondes die Priesterinnen von Avalon das Leben der Göttin an, und sie antwortete ihnen durch das Schweigen…
    Schließlich lagen sie sich ruhig in den Armen, und Ravens Tränen versiegten. Sie lag wie eine Tote, und Morgaine, die spürte, wie Ravens Herz beinahe zum Stillstand kam, dachte:
Ich muß sie selbst in den Schatten des Todes ziehen lassen, wenn es der Wille der Göttin ist…
Sie konnte noch nicht einmal weinen.
    Niemand schenkte den beiden ältlichen Bauersfrauen im lärmenden Treiben vor den Toren von Camelot auch nur die geringste Aufmerksamkeit. Morgaine war die vielen Menschen gewöhnt. Aber Raven hatte selbst im ruhigen Avalon in völliger Abgeschiedenheit gelebt. Sie wurde totenblaß und versuchte, sich unter ihrem durchlöcherten Schultertuch zu verbergen. Auch Morgaine hatte sich das Schultertuch über den Kopf gezogen – es gab hier genug Leute, die sie auch im Gewand einer Bauersfrau und mit weißen Strähnen im Haar als Herrin Morgaine erkennen würden.
    Ein Viehtreiber kam mit einem Kalb über den Hof und stieß mit Raven zusammen. Er fluchte, als sie ihn nur fassungslos und ängstlich anstarrte. Morgaine erklärte schnell: »Meine Schwester ist taubstumm«, und der Mann wurde sofort freundlich. »Ach, die Arme… Geht dort hinauf, am unteren Ende der Halle des Königs bekommt heute jedermann ein gutes Essen. Ihr beide könnt euch durch dieses Tor hineinschleichen, dann könnt ihr sehen, wenn sie einziehen… Der König hat mit einem der Priester heute in der Halle etwas Großes vor. Ihr seid sicher aus dem Norden und kennt euch hier nicht aus. Bei uns weiß jeder, daß er sich an Ostern erst dann zur Tafel begibt, wenn sich ein großes Wunder ereignet hat. Und wie man hört, soll heute wirklich etwas Wunderbares geschehen.«
    Daran zweifle ich nicht,
dachte Morgaine verächtlich. Aber sie dankte dem Mann in dem schweren, ländlichen Tonfall, in dem sie zuerst mit ihm gesprochen hatte, und zog Raven mit sich in die untere Halle, die sich schnell füllte – König Artus' Großzügigkeit an hohen Festtagen war allgemein bekannt. Und viele würden das ganze Jahr hindurch nichts Besseres essen als heute. Es roch nach gebratenem Fleisch, und die meisten Leute, die sich um sie drängten, sprachen von nichts anderem. Morgaine verursachte der Geruch Übelkeit, und nach einem Blick auf Ravens bleiches und entsetztes Gesicht beschloß sie, sich zurückzuziehen.
    Sie hätte nicht mitkommen dürfen. Ich habe die drohende Gefahr für die Heiligen Insignien nicht gesehen. Ich habe den Merlin nicht als Verräter entlarvt. Wie soll es mir gelingen, mit Raven in einer solchen Verfassung nach Avalon zu fliehen, wenn ich getan habe, was ich tun muß?
    Morgaine entdeckte einen Winkel, in dem man sie nicht beachten würde, von wo aus sie aber verhältnismäßig gut das Geschehen verfolgen konnte. Am anderen Ende der Halle stand die Große Tafel, die als Ort der Tafelrunde im Lande bereits beinahe sagenhaften Ruf genoß. König und Königin saßen dort auf der Estrade, und die Rükkenlehnen der Stühle trugen die Namen der Gefährten. An den Wänden hingen Banner in leuchtenden Farben. Nach den Jahren im schlichten Avalon erschien Morgaine alles protzig und geschmacklos.
    Nach langem Warten entstand eine Bewegung, und man hörte das Schmettern von Trompeten. Ein Raunen ging durch die

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