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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sich weich und feucht an. An der Art, wie er sich an mich klammerte, erkannte ich, daß er im Schlaf nicht wußte, daß ich ihn in den Armen hielt. Ich dachte:
Igraine hat uns beide vergessen. Sie hat dich verlassen, wie sie mich verließ.
Vermutlich muß ich jetzt deine Mutter sein.
Deshalb wiegte ich ihn ein bißchen. Als Gwydion aufwachte, streckte er die kleinen Arme aus und legte sie wieder um meinen Hals, damit ich ihn tragen konnte. Ich setzte ihn auf meine Hüfte,
wie die Amme es tat.
    »Weine nicht«, sagte ich, »ich bringe dich zur Amme.«
    »Mama«, wimmerte er.
    »Mutter ist fort. Sie ist beim König«, sagte ich. »Aber ich werde für dich sorgen, Brüderchen.« Als ich seine Fingerchen in meiner Hand fühlte, verstand ich, was Igraine meinte: Ich war zu groß, um zu weinen oder nach meiner Mutter zu jammern. Ich hatte einen kleinen Bruder, um den ich mich kümmern mußte. Ich glaube, ich war damals erst sieben Jahre alt.
    Von der Hochzeit der Schwester meiner Mutter… Morgause heiratete König Lot von Orkney… weiß ich nur noch, daß ich an diesem Tag zum ersten Mal ein richtiges Gewand trug wie eine erwachsene Frau und eine silberne Bernsteinkette. Ich mochte Morgause, denn sie hatte oft Zeit für mich gehabt, wenn meine Mutter zu beschäftigt war. Sie erzählte mir Geschichten von meinem Vater… ich glaube, nach seinem Tod sprach Igraine Gorlois
'
Namen nie mehr aus. Obwohl ich Morgause liebte, fürchtete ich sie auch. Denn manchmal zwickte sie mich, riß mich an den Haaren und schimpfte, ich sei ein lästiger Balg. Sie verspottete mich zum ersten Mal mit einem Schimpfwort, über das ich damals weinte, auf das ich heute aber stolz bin: »Du bist ein Feenkind. Warum färbst du dir nicht das Gesicht blau und trägst Hirschfelle? Morgaine, du bist eine Fee!«
    Ich wußte nur wenig über die Gründe für diese Hochzeit oder darüber, weshalb Morgause so jung verheiratet wurde. Ich wußte nur, meine Mutter war froh, sie unter die Haube gebracht und aus dem Haus zu haben, denn sie bildete sich ein, Morgause werfe Uther lüsterne Blicke zu. Vermutlich merkte sie nicht, daß Morgause alle Männer lüstern ansah, die ihr über den Weg liefen. Sie war eine läufige Hündin. Aber ich glaube, im Grunde lag es nur daran, daß niemand sich darum kümmerte, was sie tat. Bei ihrer Vermählung hörte ich, wie man darüber sprach, wie gut es sei, daß Uther seine Streitigkeit mit Lot von Orkney so schnell begraben und ihm sogar die eigene Schwägerin zur Frau gegeben hatte. Ich fand Lot liebenswürdig, und ich glaube, nur Uther war gegen sein einnehmendes Wesen gefeit. Morgause schien ihn tatsächlich zu lieben… vielleicht hielt sie es auch nur für richtig, so zu tun.
    Ich glaube, an diesem Tag bin ich der Herrin von Avalon zum ersten Mal begegnet. Sie war wie meine Tante Morgause, eine Schwester meiner Mutter, und sie entstammte ebenfalls dem Alten Volk. Viviane war klein, dunkel, lebhaft; sie trug rote Bänder in ihren dunklen Haaren. Selbst damals war sie nicht mehr jung. Aber ich fand sie schön. Für mich war sie immer schön. Ihre Stimme klang tief und voll. Am besten gefiel mir, daß sie sich mit mir wie mit ihresgleichen unterhielt und nicht mit der süßlichen Falschheit der meisten Erwachsenen, die mit Kindern reden…
    Ich kam zu spät in die weite Halle; der Amme war es nicht gelungen, Bänder in meine Zöpfe zu flechten, und ich hatte es schließlich selbst fertiggebracht. Schon immer hatte ich geschickte Hände und konnte gut und schnell Dinge tun, mit denen Erwachsene sich lange quälten. Spinnen konnte ich bereits so gut wie meine Mutter und besser, als es Morgause je gelang. Ich war sehr stolz auf mein safrangelbes Gewand mit den goldgefaßten Bändern und der Bernsteinkette anstelle der Korallen. Und als ich nun kam, war an der Tafel des Königs kein Platz mehr für mich. Ich umkreiste sie enttäuscht, denn ich wußte, meine Mutter würde mich an einen der Tische unten im Saal verbannen, sobald sie mich sah, oder die Amme rufen, damit sie mich wegbrachte.
    Vielleicht würde sie auch die Blicke aller auf mich lenken und einer Dienerin befehlen, mir einen Stuhl zu bringen. In Cornwall war ich eine Prinzessin, aber an Uthers Hof in Caerleon war ich nicht mehr als die Tochter der Königin, deren Vater den Großkönig verraten hatte. Plötzlich entdeckte ich die kleine dunkle Frau … sie war so klein, daß ich zunächst glaubte, sie sei ein Mädchen und kaum älter als ich. Sie saß auf einem

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