Die Nebel von Avalon
in meinem Leben nichts mehr davon.«
Das brachte Viviane wie beabsichtigt zum Schweigen. Sie ließ sich von einem Diener gesalzenes Hammelfleisch vorlegen und lobte das
frisch bereitete Kräutergemüse – das erste in diesem Jahr. Sie aß jedoch wenig, legte bald das Messer auf den Tisch und sagte: »Mich hat ein gütiges Geschick hergeführt, Uther, und ich sehe darin ein Zeichen, daß Euer Kind von den Göttern behütet wird, denn es wird gebraucht.«
»Von diesem gütigen Geschick könnte ich mehr gebrauchen«, entgegnete Uther mit gepreßter Stimme. »Wenn Ihr wirklich eine Zauberin seid, Schwägerin, dann bitte ich Euch, Igraine einen Zauber gegen ihre Unfruchtbarkeit zu geben! Als wir uns vermählten, dachte ich, sie würde mir viele Kinder schenken, denn sie hatte dem alten Gorlois bereits eine Tochter geboren. Aber wir haben nur einen einzigen Sohn, und der ist bereits sechs Jahre alt.«
Es steht in den Sternen, daß du keinen anderen Sohn haben wirst.
Aber Viviane hütete sich, Uther das zu sagen.
Statt dessen antwortete sie: »Ich werde mit Igraine darüber sprechen und mich davon überzeugen, daß keine verborgene Krankheit sie daran hindert zu empfangen.«
»Oh, sie empfängt sehr wohl, doch sie kann das Kind nie länger als einen oder zwei Monate tragen. Das eine, das sie bekam, verblutete, als die Nabelschnur durchtrennt wurde«, klagte Uther bitter. »Es war mißgestaltet, und vielleicht war es so das beste. Möglicherweise habt Ihr aber auch einen Zauber, der Igraine hilft, ein gesundes Kind zur Welt zu bringen… Ich weiß nicht, ob ich an solche Dinge glaube. Ich bin jedoch bereits soweit, mich an alles zu klammern, was helfen könnte.«
»Über derartige Zauber verfüge ich nicht«, sagte Viviane mit aufrichtigem Bedauern. »Ich bin nicht die Große Göttin. Selbst wenn ich wollte, ich könnte Euch keine Kinder geben oder sie Euch vorenthalten. Ich kann das Schicksal nicht beeinflussen. Sagt Euer Priester nicht dasselbe?«
»O ja, Vater Columba spricht immer davon, ich solle mich dem Willen Gottes beugen. Aber der Priester hat nicht über ein Reich zu herrschen, in dem es. drunter und drüber geht, wenn ich ohne Erben sterbe«, erwiderte Uther. »Ich kann nicht glauben, daß Gott so etwas will.«
»Niemand von uns kennt Gottes Willen«, antwortete Viviane, »weder Ihr noch ich… und Vater Columba auch nicht. Aber eins weiß ich sicher, und man braucht weder Zauberei noch Magie, um das zu sehen: Ihr müßt das Leben Eures Sohnes schützen, denn er soll nach Euch den Thron besteigen.«
Uthers Mund wurde schmal. »Gott bewahre uns vor diesem Schicksal«, sagte er. »Mir täte es schon um Igraines willen leid, wenn ihr Sohn sterben sollte, nicht nur meinetwegen… Gwydion ist ein gutes und vielversprechendes Kind, aber er kann nicht Nachfolger des Großkönigs von Britannien sein. In diesem Reich gibt es keinen Menschen, der nicht weiß, daß er gezeugt wurde, als Igraine Gorlois' Frau war. Gwydion kam einen Mond früher, als er hätte geboren werden sollen, um wirklich mein Sohn zu sein. Sicher, er war klein und schwächlich, und manche Kinder
werden
vor der Zeit geboren. Aber ich kann nicht herumgehen und allen im Reich, die selbst bis neun zählen können, das erzählen. Er wird Herzog von Cornwall werden, wenn er erwachsen ist. Ich kann nicht hoffen, ihn zum Thronfolger zu ernennen… selbst wenn er heranwächst, was bei seinem Pech sehr unwahrscheinlich ist.«
»Er sieht Euch ähnlich genug«, erwiderte Viviane, »glaubt Ihr, die Leute bei Hofe sind blind?«
»Aber was ist mit all jenen, die nie an den Hof kommen? Nein, ich muß einen Erben haben, dessen Geburt keine Zweifel aufkommen läßt. Igraine
muß
mir einen Sohn schenken!«
»Gott gebe es«, sagte Viviane, »aber Ihr könnt Gott weder Euren Willen aufzwingen noch zulassen, daß Gwydions Leben leichtsinnig aufs Spiel gesetzt wird. Warum laßt Ihr ihn nicht in Tintagel erziehen? Dort ist es einsam. Wenn Ihr ihn in die Obhut Eures treuesten Vasallen gebt, wird jeder davon überzeugt sein, daß er wirklich ein Cornwall ist, und Ihr nicht die Absicht habt, ihn zum Großkönig zu machen. Vielleicht wird man ihm dann nicht mehr nach dem Leben trachten.«
Uther runzelte die Stirn. »Sein Leben ist so lange nicht sicher, wie Igraine mir nicht einen anderen Sohn geboren hat«, sagte er, »selbst wenn ich ihn nach Rom oder zu den Goten schicken würde!«
»Und die Gefahren einer solchen Reise verbieten das«, stimmte Viviane ihm zu.
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