Die Nebel von Avalon
haben die Stämme dem Pendragon Treue geschworen!« mahnte Viviane. »Wenn Avalon Euch seine Unterstützung versagt, Uther… so hoch wir Euch gesetzt haben, so tief können wir Euch auch stürzen.«
»Wohl gesprochen, Herrin. Aber könnt Ihr Eure Drohung wahrmachen?« entgegnete Uther.
»Würdet Ihr das wegen eines Mädchens tun, die dazu noch die Tochter eines Cornwall ist?«
»Stellt mich auf die Probe.«
Viviane nahm den Blick nicht von ihm. Doch diesmal wich er ihren Augen nicht aus. Uther war wütend genug, um ihrem Blick standzuhalten. Viviane dachte:
Große Göttin! Ware ich zehn Jahre jünger gewesen, wie hätten dieser Mann und ich das Land regieren können!
In ihrem ganzen Leben hatte sie nur ein oder zwei Männer getroffen, die ihr ebenbürtig waren. Und in Uther fand sie einen würdigen Gegner. Das mußte er auch sein, um dieses Reich zusammenzuhalten, bis der vom Schicksal bestimmte König zum Mann herangereift war. Selbst um Morgaines willen durfte sie dieses Ziel nicht gefährden. Trotzdem wolle Viviane versuchen, den Großkönig zu überzeugen.
»Hört mich an, Uther. Dieses Mädchen hat das Gesicht. Sie ist dafür geschaffen. Es gibt für sie keinen Weg, dem Unsichtbaren zu entfliehen. Es wird ihr folgen, wohin sie sich auch wendet. Und wenn ihr das anhaftet, wird man sie als Hexe brandmarken und hassen. Möchtet Ihr, daß einer Prinzessin Eures Hofes dies widerfährt?«
»Zweifelt Ihr an Igraines Fähigkeit, ihre Tochter als gehorsame Christin zu erziehen? Und im schlimmsten Fall – hinter Klostermauern kann sie niemandem schaden…«
»Nein!« sagte Viviane so laut, daß etliche Männer am unteren Tisch in der Halle die Köpfe hoben und sie verwundert ansahen. »Uther, dieses Mädchen ist zur Priesterin geboren! Steckt sie hinter Klostermauern, und sie wird dahinsiechen wie eine Möwe im Käfig. Könnt Ihr Igraines Kind zum Tode oder zu lebenslangem Leiden verurteilen? Ich glaube… und ich habe mit ihr darüber gesprochen… sie würde sich das Leben nehmen.«
Viviane bemerkte, wie ihre Worte ihn betroffen machten und fuhr schnell fort: »Sie ist dazu geboren. Erlaubt, daß sie ausgebildet wird, wie es ihren Gaben entspricht. Ich frage Euch, ist sie hier glücklich oder eine solche Zierde Eures Hofes, daß Ihr traurig sein müßtet, wenn sie ihn verläßt?«
Uther schüttelte langsam den Kopf. »Um Igraines willen habe ich versucht, Morgaine zu lieben. Aber sie ist… unheimlich. Morgause neckte sie früher damit, daß sie sagte, Morgaine sei ein Kind der Feen. Und wenn ich ihre Eltern nicht kennen würde, könnte ich es sehr wohl glauben.«
Viviane lächelte dünn. »Ja. Sie ist wie ich und wie unsere Mutter. Sie gehört nicht hinter Klostermauern oder unter das Kreuz.«
»Wie kann ich Igraine zur selben Zeit beide Kinder nehmen?« fragte Uther gequält. Seine Worte versetzten Viviane einen schmerzhaften Stich. Fast empfand sie Schuldgefühle, schüttelte aber dann den Kopf.
»Auch Igraine stammt aus Avalon. Sie wird sich ihrem Schicksal beugen, wie Ihr es tut, Uther. Und wenn Ihr den Zorn Eures Priesters fürchtet«, fügte sie hinzu und äußerte, was sie vermutete – an seinen Augen sah Viviane, daß sie sich nicht geirrt hatte –, »dann sagt niemandem, wohin Ihr sie schickt. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr verbreiten, sie werde in einem Kloster erzogen. Morgaine ist zu klug und zu ernsthaft für das Leben am Hofe, für die Tändeleien und das Geschwätz der Frauen. Igraine wird zufrieden sein, wenn sie weiß, daß ihre Kinder in Sicherheit und glücklich sind und ihrem Schicksal entgegenwachsen. Sie wird zufrieden sein, solange sie Euch hat.«
Uther senkte den Kopf. »So soll es geschehen«, sagte er. »Gwydion wird bei meinem treuesten Vasallen in größter Abgeschiedenheit aufwachsen… aber wie soll ich ihn ohne Spur dorthin bringen? Wird ihm die Gefahr nicht folgen?«
»Er kann auf geheimen Wegen reisen im Schutz eines Zaubermantels … So ähnlich seid Ihr nach Tintagel gekommen«, antwortete Viviane. »Mir traut Ihr nicht. Werdet Ihr dem Merlin trauen?«
»Aus ganzem Herzen«, erwiderte Uther. »Der Merlin soll ihn dorthin bringen, und Morgaine geht nach Avalon.« Er stützte den Kopf in die Hände, als sei die Last zu groß, die er trug. »Ihr seid klug«, sagte er, blickte auf und sah sie mit unverhülltem Haß an. »Ich wünschte, Ihr wärt ein närrisches Weib, und ich könnte Euch verachten und verdammen!«
»Wenn Eure Priester recht haben«, entgegnete Viviane
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