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Die Nebel von Avalon

Titel: Die Nebel von Avalon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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sein. Bringt sie…« Dann blickte sie auf das junge Mädchen, das zitternd dastand, während die Sonne versank und die graue Dunkelheit sich ausbreitete, die alle Farben aufsaugte. Das Kind war müde und verängstigt. Vor ihm lagen noch genug Prüfungen und Entbehrungen. Sie mußte nicht schon jetzt damit beginnen. »… bringt sie morgen in das Haus der Jungfrauen.« Sie wendete sich an Morgaine und sagte: »Dort ist es unwichtig, daß du meine Verwandte und eine Prinzessin bist. Du hast keinen Namen und keine Vergünstigungen, sondern nur das, was du dir selbst verdienst. Aber heute abend kommst du mit mir. Wir hatten auf der Reise wenig Zeit, miteinander zu sprechen.«
    Morgaine spürte, wie ihr plötzlich vor Erleichterung die Knie weich wurden. Die Frauen, die sie ansahen, waren alle so merkwürdig in ihren fremdartigen Gewändern und mit dem blauen Zeichen auf der Stirn; diese Frauen ängstigten sie mehr als Uthers versammelter Hofstaat. Sie bemerkte, daß Viviane die Priesterinnen – denn dafür hielt sie die Frauen – mit einer knappen Geste entließ. Viviane streckte ihr die Hand entgegen; Morgaine ergriff sie, und der Druck der kühlen starken Finger gab ihr wieder Sicherheit. Viviane war wieder die Tante, die sie kannte, gleichzeitig aber auch die ehrfurchtgebietende Priesterin, die die Nebel gerufen hatte. Wieder spürte Morgaine den Drang, sich zu bekreuzigen und fragte sich, ob dieses Reich verschwinden würde. Vater Columba hatte gesagt, das Reich der Dämonen und jedes Teufelswerk müsse vor dem Zeichen des Kreuzes weichen.
    Aber Morgaine bekreuzigte sich nicht. Und plötzlich wußte sie, daß sie es nie wieder tun würde.
Jene
Welt lag für immer hinter ihr… Am Rand des Apfelhains stand ein kleines Haus aus Flechtwerk und Lehm zwischen zwei Bäumen, deren Blüten sich gerade öffneten. Im Innern brannte ein Feuer, und eine junge Frau begrüßte sie schweigend mit
    einer Verbeugung – wie die anderen trug sie ein dunkles Gewand und darüber ein Hirschfell.
    »Sprich nicht mit ihr«, sagte Viviane. »Sie steht zur Zeit unter einem Schweigegelübde. Sie ist seit vier Jahren Priesterin und heißt Raven.«
    Schweigend half Raven Viviane aus der Reisekleidung und aus den schmutzbedeckten, zerrissenen Schuhen. Auf ein Zeichen von Viviane half sie auch Morgaine. Sie brachte ihnen Wasser zum Waschen und später etwas zu essen: Gerstenbrot und getrocknetes Fleisch. Zu trinken gab es nur kaltes Wasser; es war frisch und schmeckte köstlich. Morgaine hatte ein solches Naß noch nie getrunken. »Es ist Wasser aus dem Heiligen Brunnen«, erklärte Viviane, »wir trinken nichts anderes. Es bringt Erleuchtungen und klärt den Blick. Der Honig stammt von unseren eigenen Bienenvölkern. Iß dein Fleisch und laß es dir schmecken. In den nächsten Jahren wirst du kein Fleisch mehr bekommen; die Priesterinnen essen kein Fleisch, solange sie ihre Ausbildung noch nicht beendet haben.«
    »Warum ist das so, Herrin?« Morgaine konnte nicht mehr Tante zu Viviane sagen. Zwischen ihr und der vertrauten Anrede stand die Erinnerung an die gottähnliche Gestalt, die den Nebel beschwor. »Ist es nicht rechtens, Fleisch zu essen?«
    »Gewiß nicht, und der Tag wird kommen, an dem du essen kannst, was du willst. Aber wenn man sich ohne Fleisch ernährt, schärft sich das Bewußtsein. Das ist wichtig für dich, während du lernst, dein Gesicht zu gebrauchen und die magischen Kräfte dienstbar zu machen, die sonst dich beherrschen. Die Priesterinnen essen in den ersten Jahren ihrer Ausbildung wie die Druiden nur Brot und Früchte und manchmal ein wenig Fisch aus dem See. Sie trinken nur Wasser aus der Heiligen Quelle.«
    Morgaine entgegnete scheu: »Aber in Caerleon habt Ihr Wein getrunken, Herrin.«
    »Sicher, auch du wirst Wein trinken dürfen, wenn du die Zeiten kennst, in denen du essen und trinken darfst und weißt, wenn du enthaltsam leben mußt«, sagte Viviane knapp. Dies brachte Morgaine zum Schweigen, und sie aß ein wenig vom Honig und etwas Brot. Sie hatte Hunger, aber alles schien ihr in der Kehle zu verklumpen.
    »Hast du genug gegessen?« fragte Viviane, »gut… dann kann Raven abräumen. Du solltest eigentlich schlafen, mein Kind. Aber setz dich hierher zu mir ans Feuer. Wir wollen uns ein wenig unterhalten. Morgen wird Raven dich in das Haus der Jungfrauen bringen, und du wirst mich so lange nur noch bei den Zeremonien sehen, bis du ausgebildet bist. Dann wirst du deinen Platz in der Reihe der Priesterinnen

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