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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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ihn sich wieder und wieder angehört und sind sich immer noch nicht hundertprozentig sicher.«
    Er nahm ein Blatt Papier aus der Jackentasche und faltete es auseinander. »Ihre Meinung ist für uns von größter Bedeutung, da der Ausschnitt damit endet, dass Mailin Ihren Namen ruft. Aber zunächst möchte ich Sie um eines bitten. Es ist für die Ermittlungen ungeheuer wichtig, dass nichts davon bekannt wird.«
    Liss Bjerke beugte sich vor und drehte sich eine Locke um den Zeigefinger.
    »Ich werde alles für mich behalten.«
    »Gut. Es hört sich so an, als würde Mailin, bevor sie Ihren Namen ruft, drei Wörter sagen, die sich anhören wie Sand, Ferien und Ski. Haben Sie das verstanden?«
    Liss wiederholte:
    »Sand, Ferien, Ski und Liss.«
    »Genau. Sagt Ihnen das was?« Viken setzte sich auf die Tischkante und wartete ab.
    Nach einer Weile entgegnete sie:
    »Kann ich länger darüber nachdenken?«
    »Aber natürlich, Liss. Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen.«
    Roar tippte auf der Tastatur. Er konnte sich nicht erinnern, dass Viken eine Zeugin schon mal beim Vornamen genannt hatte.
    Der Kommissar gab ihr seine Karte. »Rufen Sie mich sofort an, wenn Ihnen etwas einfällt. Egal, wann, auch mitten in der Nacht. Versprechen Sie mir das?«
    Sie blieb sitzen und fingerte an der Karte herum.
    »Haben Sie etwas über den Mann herausgefunden, der in ihrer Praxis war?«, fragte sie.
    Vikens buschige Augenbrauen zogen sich über seinem Nasenrücken zusammen.
    »Was meinen Sie?«
    »Ich habe zwei Mal bei der Polizei angerufen und erzählt, dass ein junger Typ in Mailins Praxis herumgeschnüffelt hat, als ich das erste Mal dort war. Er hat genau die Seite aus ihrem Terminplan gerissen, auf der stand, welche Termine sie am Tag ihres Verschwindens hatte.«
    Viken warf Roar einen fragenden Blick zu. In einem Bericht des Bereitschaftsdiensts war der Fremde erwähnt, doch von einem Terminplan war nicht die Rede. Roar runzelte die Stirn, um anzudeuten, dass ihm dieses Detail ebenfalls neu war.
    »Offenbar ist das bei unseren Kollegen nicht vollständig angekommen«, beschwichtigte er. »Erzählen Sie uns noch mal genau, was Sie gesehen haben.«
    Liss Bjerke warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu, als hielte sie ihn für den Schuldigen, dass ihre Aussage nicht vollständig zu Protokoll genommen worden war. Er ließ sich nichts anmerken und begann, alles Wort für Wort einzutippen, was sie ihnen nun erzählte.
    »Und die Initialen waren JH ?«, versicherte er sich. »Und Sie haben denselben Mann wenige Tage später am Hauptbahnhof gesehen?«
    »Auch auf einer Party in einer Wohnung in Sinsen.«
    »Wie heißt der Eigentümer der Wohnung?«
    Liss Bjerkes Finger spielten nicht mehr mit ihren rötlichen Haaren, sondern mit der Kette, die sie um den Hals trug.
    »Das kann ich herausbekommen.«
    »Mit wem hatten Sie Kontakt auf diesem Fest?«, wollte Viken wissen.
    Sie erwähnte die Namen von ein paar Freundinnen und einigen Fußballern der ersten Liga. Roar gewann den Eindruck, als sortiere sie zunächst alle Auskünfte, bevor sie diese weitergab. Er konnte sich vorstellen, was unter anderem in der Wohnung in Sinsen geschehen war.
    »Sie wohnen also in Amsterdam«, stellte Viken fest, nachdem sie alles aufgenommen hatten, was Liss Bjerke bereit war, ihnen zu erzählen. »Eine schöne Stadt.«
    Sie warf ihm einen verstohlenen Blick zu.
    »Hat das was mit der Sache zu tun?«
    Viken zuckte mit den Schultern.
    »Alles ist von Bedeutung. Was tun Sie dort?«
    Sie setzte sich auf und schlug die Beine übereinander. »Ich studiere Design.«
    »Ich habe mir sagen lassen, dass Sie auch als Modell arbeiten.«
    Roar bemerkte, wie ihre Augen sich weiteten.
    »Gehört das noch zur Vernehmung?«
    »Eigentlich nicht. Doch alle Zeugen haben mehr zu erzählen, als sie selbst wissen.«
    »Was wollen Sie damit sagen?« Sie sprang erregt auf. »Ich bin hier, damit Sie herausfinden, was mit meiner Schwester passiert ist. Was für ein Wahnsinniger das war, der sie gequält und getötet hat. Was ich in Amsterdam mache, hat damit nicht das Geringste zu tun.«
    Sie blieb stehen und schaute auf einen imaginären Punkt, irgendwo zwischen den beiden Polizisten. Dann machte sie auf dem Absatz kehrt und stürzte aus dem Zimmer, noch ehe sie etwas sagen konnten. Auf dem Boden neben dem Stuhl lag Vikens zusammengeknüllte Visitenkarte.
     
    Viken war immer noch da, als Roar nach einem vergeblichen Versuch, die Zeugin zurückzuholen, wieder in sein Zimmer kam.

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