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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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Kommissar zog eine zusammengefaltete Zeitung aus der Innentasche und breitete sie auf dem Autodach aus.
    Roar las: »Enthüllt Berger heute Abend den Mörder in
Tabu?
«
    »Das darf doch nicht …«
    »Nachdem ich ihn gestern Abend vernommen habe, hat unser Freund seine Zeit gut genutzt«, entgegnete Viken.
    Er zeigte auf einige Zeilen, die mit einem Stift unterstrichen waren: »Drei Mal ist Berger von der Polizei verhört worden, weil er am Abend ihres Verschwindens mit Mailin Bjerke eine Verabredung hatte. Aber die Arbeit der Polizei hat ihn nicht sonderlich beeindruckt. ›In der Mordkommission gibt es ein paar Mitarbeiter, die die Vermutung nahelegen, dass sie einen mehr als sicheren Arbeitsplatz haben. Sie versteifen sich auf Nebensächlichkeiten und erkennen nicht einmal die offensichtlichsten Zusammenhänge.‹
    ›Wollen Sie damit sagen, dass Sie im Besitz entscheidender Informationen sind, was diesen Mordfall betrifft?‹
    Berger lacht schallend. ›Wenn ich es wäre, würde ich sie
VG
bestimmt nicht verraten. Ich muss schließlich an mein eigenes Publikum denken.‹
    Berger verweigert also eine konkrete Aussage zu diesem Fall, macht jedoch unmissverständliche Andeutungen, dass er heute Abend in
Tabu
auf Kanal 6 die Katze aus dem Sack lassen wird. Denn diese Folge handelt – vom Tod.«
    Roar schüttelte den Kopf.
    »Wir können wohl kaum auf eine Fernsehsendung warten. Der treibt doch ein Katz-und-Maus-Spiel mit uns.«
    Viken steckte die Zeitung in seine Manteltasche zurück. »In ein paar Stunden wird der Typ im Fernsehen auftreten. Der hat siebenhunderttausend Zuschauer oder mehr. Was glaubst du, wie sich das auf die Quote auswirkt, wenn wir ihn ein weiteres Mal vorladen, ohne etwas Neues zu haben?«
    Eine Antwort erübrigte sich.
    »Was hast du gestern aus ihm herausgekriegt?«, fragte Roar.
    »Berger hat behauptet, von der Welhavens gate bis zum Studio nach Nydalen zu Fuß gegangen zu sein.«
    »Dann müsste es doch irgendwelche Zeugen geben. Der Mann ist ja nicht gerade unauffällig.«
    »Er sagt, er sei am Akerselva entlanggegangen und habe sich viel Zeit gelassen. Angeblich hatte er an diesem Tag eine Nachricht erhalten, über die er in Ruhe nachdenken musste.«
    »Und die wäre?«
    »Geht uns nichts an, behauptet er.«

29
    M itten in der Therapiesitzung wurde die Tür weit aufgerissen. Pål stand auf der Schwelle und starrte sie rasend vor Wut an. Seine Augen waren gerötet, sein Gesicht verzerrt und unrasiert. Er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht mehr geschlafen.
    »Ich muss mit dir reden!«
    Torunn lächelte die junge Frau, die ihr auf einem Stuhl gegenübersaß, entschuldigend an. Zu Pål sagte sie:
    »Ich bin in einer halben Stunde fertig. Dann komme ich zu dir rauf.«
    »Ich muss jetzt mit dir reden!«
    Sie hörte, dass es ihn gewaltige Mühe kostete, nicht loszubrüllen.
    »Tut mir leid«, sagte sie zu ihrer Patientin und stand auf. »Bin gleich wieder da.«
    Draußen im Wartezimmer packte er sie am Arm und zerrte sie mit sich fort. Sie versuchte sich loszureißen.
    »Du rührst mich nicht an!«, sagte sie so frostig wie möglich.
    Er ließ sie los und ging voran in den Aufenthaltsraum. Sie schloss die Tür hinter ihnen und wusste, dass sie seinem Zorn mit einer Wut begegnen musste, die noch größer war.
    »Was fällt dir ein, mitten in meine Therapiesitzung hineinzuplatzen? Ich habe die Nase endgültig voll von all deinen Mätzchen und deinem schlechten Benehmen.«
    Er trat einen Schritt auf sie zu.
    »Versuchst du, mich zu zerstören?«, fauchte er sie an.
    »Das wäre reine Energieverschwendung. Das schaffst du spielend allein.«
    »Hast du mich denunziert, um das Sorgerecht für Oda zu behalten?«
    Sie hatte sich im Voraus überlegt, was sie dazu sagen würde, wenn das Thema auf den Tisch kam. Doch sie hatte nicht mit seiner ungeheuren Wut gerechnet.
    »Ich weiß nicht, wovon du redest«, entgegnete sie abweisend. »Was meinst du mit denunziert?«
    Er beugte sich über sie und starrte sie argwöhnisch an. Irgendwo in seinen Augen sah sie den Anflug eines Zweifels.
    »Willst du mir etwa weismachen, dass du nichts davon weißt?«, murrte er.
    »Wovon denn? Könntest du mir bitte verraten, um was es geht?«
    Endlich richtete er sich auf und warf einen Blick zur Tür.
    »Ich wurde den ganzen Vormittag verhört.«
    »Verhört?«
    Sie hörte, wie überzeugend ihre Verwunderung klang.
    »Wenn du mich anlügst …«, begann er und musste erneut ansetzen. »Wenn ich herausfinde, dass du

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