Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
Vom Netzwerk:
würde ihr Terrain notfalls mit Zähnen und Klauen verteidigen. Liss hatte sich in die äußerste Sofaecke zurückgezogen. Dort gefiel es ihr am besten, in der Rolle der stillen Beobachterin.

16
    J omar Vindheim hatte seinen BMW direkt vor dem Café geparkt. Er wollte selbst fahren, hatte so gut wie nichts getrunken, wie er beteuerte. Therese sicherte sich den Beifahrersitz. Didier quetschte sich auf der Rückbank in die Mitte. Hin und wieder unterbrach er sein Gespräch mit Catrine auf Französisch und wandte sich in seinem afrikanischen Englisch an Liss. Er legte jeweils einen Arm um Liss und Catrine. Er roch nach einem Parfüm, das Liss unbekannt war. Ihr gefiel die Schwere seiner Hand um ihre Schulter.
    Sie jagten den Trondheimsveien in Richtung Carl Berners plass entlang. Jomar suchte nach einer Adresse in Sinsen. Es hatte leicht zu schneien begonnen, als sie ausstiegen. Schwere Flocken landeten auf dem Boden und schmolzen auf der Stelle. Musik drang aus einem offenen Fenster. Liss spürte den Rausch wie aus weiter Ferne.
    Sie kamen in eine große Wohnung im dritten Stock. Die Musik war so laut, dass sich Gespräche erübrigten. Also glitt sie durch die Räume und spürte die Blicke, die sich auf sie richteten, manche gelangweilt, andere interessiert. Sie setzte sich im dunkelsten Raum auf ein Sofa und schaute den anderen beim Tanzen zu. Ein Joint machte die Runde. Er roch süß. Sie nahm zwei tiefe Züge und reichte ihn weiter. Er war ziemlich stark, und sie spürte sofort, dass er seine Wirkung nicht verfehlen würde. Genau in diesem Moment wurde etwas aufgelegt, das sich wie Rai anhörte, jedenfalls wie eine Musik, die Zako immer gehört hatte. Sein Name durchzuckte sie. Er würde den Weg zu ihrem verschlossenen Raum finden. Hinter der Tür lag Zako immer noch auf seinem Sofa. Doch Liss öffnete sie nicht, sondern ließ sich von der Musik forttragen, die so zäh wie Cannabisöl war. Sie blickte zu Catrine hinüber, die sich mit Didier in den hintersten Winkel des Zimmers zurückgezogen hatte. Ihr Abend ist gerettet, dachte Liss und gab sich mit geschlossenen Augen der Musik hin. Schüttelte nur den Kopf, als jemand vor ihr stand und mit ihr tanzen wollte.
    »So schnell gebe ich nicht auf«, sagte er.
    Liss öffnete die Augen. Jomar Vindheim war vor ihr in die Knie gegangen.
    »Ich will tanzen, mit dir.«
    Sie schüttelte erneut den Kopf. Doch als er sie am Arm nach oben zog, leistete sie keinen Widerstand. Sie schaute sich nach Therese um, konnte sie jedoch nirgends entdecken.
    Er klammerte sich nicht an sie, bewegte sich allerdings nicht ganz im Rhythmus der Musik, aber Liss wollte ihn nicht unnötig aus dem Takt bringen. Der Raum wurde von der arabischen Stimme des Rai-Sängers erfüllt. Mit einem Mal befand sie sich in einem Garten mit hängenden Blumen, die einen schweren, süßlichen Duft verströmten. An diesem Ort konnte sie niemand erreichen.
    »Therese hat mir eine SMS geschickt, bevor ich euch im Mono getroffen habe. Sie sagte, dass du die Schwester von …«
    Sie drehte ihren Kopf weg, und er begriff, dass sie nicht darüber reden wollte. Er legte seine Hand auf ihre nackte Schulter und strich mit einem Finger an ihrem Haaransatz entlang.
    »Ich muss dich wiedersehen«, sagte er.
    »Ich mag Therese«, entgegnete sie.
    »Ich auch. Aber ich muss dich wiedersehen.«
    In diesem Moment stand Therese neben ihr. Liss machte sich frei, wankte zu ihrem Sofa zurück und versank wieder in ihrem imaginären Garten. Zwischen blühendem Mohn und Jasmin hindurch warf sie einen Blick auf die Tanzenden. Catrine trug eine Weihnachtsmannmütze mit blinkenden Lichtern und hatte ihre Arme um Didiers Hals geschlungen. Seine Hände hatten ihre strammen Pobacken sicher im Griff. Nicht weit von ihnen entfernt stellte sich Therese auf die Zehenspitzen und küsste ihr Filetstück auf die Wange. Er wandte den Kopf ab. Liss begegnete seinem Blick und schüttelte erneut den Kopf.
     
    Als sie von der Toilette kam, warf sie einen Blick in das hintere Schlafzimmer. Sie ahnte bereits, was dort vor sich ging. Es war ein ständiges Kommen und Gehen. Ein Typ in Jeansjacke, der nicht ansatzweise ein Haar auf dem Kopf hatte, saß vor einem Glastisch und streute den Schnee auf den Tisch.
    »Die erste Runde geht aufs Haus«, sagte er gähnend.
    Er zog drei Linien. Ein junger Typ, der neben Liss auf dem Sofa gesessen und es irgendwann aufgegeben hatte, mit ihr anzubändeln, holte ein Messingröhrchen aus der Tasche, zog sich eine Linie

Weitere Kostenlose Bücher