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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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fließt durch Bilder hindurch und wird von einem Strudel erfasst.
    »Es könnte etwas mit Mailin zu tun haben«, sagte Liss. »An der Korktafel in ihrer Praxis hing ein Zettel. Darauf stand: ›Frag ihn nach
Death by water.
‹«
    Catrine klickte sich bis zu einem Kommentar und las laut: »Das Gedicht
The Waste Land
beschreibt die Wanderung durch eine kaleidoskopische Welt, die unter dem Fluch der Unfruchtbarkeit steht. Kaum jemand in diesem öden Land ist von Hoffnung erfüllt, fast alle sind mit Blindheit geschlagen.«
    Sie drehte sich zu Liss um. »Glaubst du, das hat etwas mit Mailins Verschwinden zu tun?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht. Aber alles, was sie hinterlassen hat, ist für mich von Bedeutung. Alles, was darauf schließen lässt, was sie gedacht und getan hat.«
    Nach dem Kaffee holte Catrine eine Flasche Southern Comfort. Sie hatte süße Sachen schon immer gemocht. Nach ein paar Drinks fragte sie Liss, ob sie nicht in die Stadt mitkommen wolle. Liss wusste nicht, was sie antworten sollte. War sich nicht sicher, ob Catrine wirklich Lust hatte, mit ihr den Abend zu verbringen. Sie fühlte sich wie von einer dünnen Haut umgeben, die sie schützte, aber gleichzeitig unzugänglich machte.
    »Ich fürchte, in meiner Gesellschaft wirst du nicht viel Spaß haben«, sagte sie.
    »Willst du mich beleidigen?«, fragte Catrine und gab ihrer Stimme einen verärgerten Klang. »Wenn du glaubst, dass ich nur Spaß haben will …«
    »Ein bisschen Abwechslung täte mir schon gut«, unterbrach Liss sie und leerte ihr Glas. Der Gedanke, nach Lørenskog zu fahren und den Abend des 23. Dezember mit ihrer Mutter und Tage zu verbringen, war ihr unerträglich.
     
    Trotz ihrer recht bescheidenen Garderobe brauchte Catrine fast eine Stunde, um die richtigen Kleider zu finden. Liss fiel die Rolle der Stylistin zu, in der sie Catrine zufolge absolut überqualifiziert war. Die Freundin verwies augenzwinkernd auf einen Artikel im Magazin des
Dagbladet,
der Liss eine große Modelkarriere voraussagte. Liss sagte ihr nicht, dass sie vorhin weniger als zehn Minuten benötigt hatte, um sich zurechtzumachen. Sie hatte sich einen von Mailins Pullovern ausgesucht. Die Lederjacke war endlich getrocknet, hatte jedoch hässliche Flecken am Kragen zurückbehalten. Catrine entschied sich am Ende für ein kurzes, eng anliegendes Satinkleid. Sie legte sich auf den Boden, zog sich mühsam die durchsichtige Strumpfhose an, ließ den Slip jedoch weg. Sie war mit einer Kommilitonin verabredet, die ebenfalls Politologie studierte. Sie hieß Therese und hatte einen Fußballspieler an der Angel.
    »Der spielt in der ersten Liga«, erklärte Catrine, als sie die U-Bahn in Richtung Zentrum nahmen. »Beste Fleischqualität.«
    Therese stand vor dem Café Mono und tippte auf ihrem Handy herum. Sie war klein und dunkelhaarig, mit intensiven dunklen Augen. Zwischen den schmalen Lippen hing eine unangezündete Zigarette.
    »Was ist mit dem Filetstück?«, fragte Catrine.
    »Ist auf dem Weg.«
    Liss konnte ihrer Geheimsprache nicht viel abgewinnen. Doch lag Catrine offenbar viel daran, dass ihre Freundin sich an diesem Abend nicht ausgeschlossen fühlte.
    »Therese und ich haben ein Klassifizierungssystem für unsere Dates entwickelt«, erklärte sie.
    »Es ist ganz einfach«, ergänzte Therese. »Es sind dieselben Bezeichnungen, die an der Fleischtheke benutzt werden. Brust- und Schulterstücke kommen also nur im Notfall infrage.«
    »Innereien sind allerdings noch schlimmer«, meinte Catrine und verzog angewidert den Mund. »Leber kann ich echt nicht ausstehen.«
    »Stimmt«, bestätigte Therese. »Nackenkoteletts und Schinken sind dagegen ziemlich okay.«
    »Und dein Date heute Abend ist also ein Filetstück«, schob Liss ein, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte. »Wie steht’s mit dem Haltbarkeitsdatum?«
    »Gute Idee!« Catrine war begeistert. »Das müssen wir unbedingt einführen. Am besten zu konsumieren vor dem …«
    »Haltbar bis …«, ergänzte Therese.
    Sie nahmen im hintersten Raum des Cafés auf einem altmodischen Sofa Platz. Catrine beugte sich zu Liss vor und rief ihr etwas zu, um die dröhnende Musik aus den Lautsprechern an der Decke zu übertönen.
    »Ich sage Therese, wer du bist, okay? … Das ist Liss, die Schwester von Mailin Bjerke.«
    Therese starrte sie an. Liss mochte ihre dunklen Augen.
    »Von der Frau, die … oh, verdammt, das tut mir echt leid.«
    Liss drückte ihr kurz den Arm.
    »Ist schon in Ordnung. Catrine hat

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