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Die Netzhaut

Die Netzhaut

Titel: Die Netzhaut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Torkil Damhaug
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zu erkennen war.
    »Sie trug keinen Ring, als wir sie gefunden haben. Wie sah er aus?«
    »Es war ein Hochzeitsring«, antwortete die Schwester der Toten. »Ein Erbstück unserer Großmutter.« Sie biss sich in die Unterlippe. »Woran ist sie gestorben?«
    »Das können wir immer noch nicht mit Sicherheit sagen«, antwortete Jennifer. »Wahrscheinlich an ihren Kopfverletzungen. Aber vermutlich war sie stark unterkühlt, als der Tod eintrat. Das kann die Schmerzen gelindert haben.«
    Eigentlich bestand keine gesicherte Grundlage für solch eine Aussage, doch Jennifer fühlte sich erleichtert.
    »Konnte immer noch Licht erkennen«, wiederholte Liss Bjerke leise. Sie hielt weiterhin die Hand ihrer toten Schwester. »Du hast gefroren, Mailin.«

4
    Samstag, 27. Dezember
    R oar Horvath stieg vorsichtig die drei vereisten Stufen hinauf und drückte auf die Klingel. Sie hatten ihr Kommen nicht angekündigt. Damit riskierten sie zwar, dass ihr Besuch umsonst war, doch Kriminalkommissar Viken meinte, dass ein Versuch sich durchaus lohnen könne. In besonderen Fällen zog er Überraschungsbesuche vor. Manchmal führten sie zu Ergebnissen, die durch formelle Befragungen nicht zu erreichen waren.
    Von innen hörten sie Schritte, die Tür glitt auf. Der Mann, der ihnen gegenüberstand, war mittelgroß, hatte dunkle, halblange Haare und einen gepflegten Kinnbart. Sein Gesicht war bleich und ebenmäßig. Der klassische Typ des hübschen jungen Mannes, dachte Roar Horvath. Er stellte sich vor und zeigte seinen Polizeiausweis. Der junge Mann warf einen Blick darauf und schien mehr erleichtert als skeptisch zu sein.
    »Ich bin Viljam Vogt-Nielsen. Das wissen Sie ja bestimmt.«
    »Wir haben es uns gedacht«, entgegnete Horvath und stellte Kommissar Viken vor.
    Die beiden Ermittler folgten Viljam Vogt-Nielsen einen Flur entlang und dann eine Treppe hinunter, die zu einem Wohnzimmer führte, dessen große Fenster auf ein kleines Fleckchen Garten hinausgingen. Draußen erblickten sie einen gemauerten Holzkohlengrill und einen Geräteschuppen. Ein paar Büsche lagen halb unter dem Schnee verborgen. Das Wohnzimmer war nicht groß, hatte aber eine ungewöhnlich hohe Decke. In einer Ecke des Raumes befand sich ein offener Kamin. An der Wand hinter dem Sofa hing ein großes Gemälde, das Roar Horvath ziemlich leblos vorkam. Allerdings konnte er sich auch nicht gerade als Kenner moderner Kunst bezeichnen.
    »Schönes Haus«, kommentierte er.
    »Die Besitzer sind Architekten«, erklärte Viljam Vogt-Nielsen. »Wir haben es für zwei Jahre gemietet.«
    Roar Horvath setzte sich auf das Sofa.
    »Sie haben bereits eine polizeiliche Aussage gemacht«, begann er. »Aber da ging es um die Vermisstenanzeige. Jetzt ermitteln wir in einem Mordfall.«
    Viljam Vogt-Nielsen entgegnete nichts. Er ließ sich auf einen Stuhl nahe der Treppe sinken und blickte aus dem Fenster. Das verschaffte Roar Horvath die Gelegenheit, ihn ein bisschen genauer zu betrachten. Er hatte schon mehrere Personen vernommen, die später wegen Mordes verurteilt worden waren. Er war dabei schlechten Lügnern und guten Schauspielern begegnet. Viele waren in der Lage, einen sorgsam berechneten ersten Eindruck zu hinterlassen, doch sofern sie nur eine Rolle spielten, kam dahinter irgendwann ihr wahres Gesicht zum Vorschein. Er schaute kurz zu Viken hinüber, der sich in dem bequemen Sessel am anderen Ende des Tisches niedergelassen hatte. Der Kommissar hatte im Voraus festgelegt, dass sein Kollege das Wort führen sollte, während er selbst als stiller Beobachter agierte. Viken hatte von Anfang an keinen Zweifel daran gelassen, dass er gern mit Roar zusammenarbeitete. Es schien so, als habe er es sich stillschweigend zur Aufgabe gemacht, den neuen Kollegen unter seine Fittiche zu nehmen. Dadurch hatte Roar im Lauf des letzten Jahres Dinge gelernt – vor allem, was die Ermittlung schwerer Gewaltverbrechen betraf –, die er nie mitbekommen hätte, wäre er auf der Polizeiwache in Romerike geblieben.
    »Sie verstehen sicherlich, dass wir verschiedene Handlungsabläufe genau rekonstruieren müssen«, stellte er fest. »Das betrifft nicht nur Sie, sondern alle Beteiligten.«
    Letzteres betonte er, damit Viljam Vogt-Nielsen sich entspannte. Wer sich verdächtigt fühlt, wählt seine Worte mit Bedacht. Fehler unterlaufen vor allem dem, der sich sicher fühlt.
    »Aber natürlich«, entgegnete Viljam Vogt-Nielsen. »Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen.«
    Er wirkte entspannt, und

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