Die neue A....- Klasse
in der ländlichen Abgeschiedenheit. Ich hatte immer gefuttert, um meine Niedergeschlagenheit zu verbergen, doch in Philadelphia erreichte meine deprimierte Stimmung einen historischen Tiefstand. Ich war so unglücklich … dass ich nichts essen konnte. Was sensationell war!
Ich fing mit meiner neuen Diät an - der »Wohnheim-Diät«, wie ich sie nannte. Eines Morgens schlenderte ich am Frühstücksbüfett entlang, und keiner war überraschter als ich selbst, als ich am Ende lediglich mit einer Portion Rührei und drei Gläsern Grapefruitsaft dastand. Den Rest des Tages hatte ich keinerlei Verlangen, etwas zu essen. Innerhalb kürzester Zeit wurde dieses Nichtessen regelrecht zur Obsession und beschäftigte mich genauso wie früher das ständige Futtern. Nach der ersten Woche begann ich mitzuzählen. »Schon seit acht Tagen habe ich nichts anderes gegessen als Rührei.« Und so ging es immer weiter. »Ein Monat, zwei Wochen, vier Tage und siebzehn Stunden und nichts als ein bisschen Rührei.« Meine Wortbeiträge in dieser Zeit waren, gelinde gesagt, sterbenslangweilig, und Sylvia, meine Zimmergenossin, hätte einen Orden verdient. »Sylvia, rate mal, wie lange es jetzt her
ist, seit ich das letzte Mal etwas anderes gegessen habe als Rührei? Wie viele Stunden? Rate! Sylvia? Sylvia? «, drangsalierte ich sie.
Anfangs reichte es aus, nichts zu essen. Seit Monaten hatte ich mich nicht mehr so gut gefühlt. Noch mal zur Erinnerung … »Moby Judy« war zutiefst deprimiert gewesen. Rückblickend betrachtet bin ich sicher, dass sich meine Stimmung gebessert hatte, weil da endlich etwas war, was ich unter Kontrolle hatte - solange ich mit eiserner Härte dabei blieb. Nach wenigen Tagen zeigte das Ganze Wirkung - ich nahm ab. Meine Hosen saßen lockerer, und ich fühlte mich wohler in meiner Haut. Das hielt mir vor Augen, was ich gewinnen konnte, wenn ich ernsthaft zu hungern anfing. Ich machte mir nicht die geringsten Sorgen, sondern hatte das Gefühl, topfit zu sein und alles perfekt im Griff zu haben. Innerhalb von zwei Monaten verlor ich über 20 Kilo. Dann wurde ich zügellos, wollte noch schneller abnehmen und nahm praktisch überhaupt nichts mehr zu mir, bis auf die zwei Gläser Grapefruitsaft am Morgen. Sieben Tage später verließ mich mein »eiserner Wille«. (Ich hätte nicht gedacht, dass ich so etwas überhaupt besitze. Stattdessen fühlte es sich eher so an, als sei ich eines Morgens einfach aufgewacht und hätte durch einen glücklichen Umstand weniger gewogen.)
Im Jahr darauf verliebte ich mich unsterblich, auch wenn ich mich natürlich nicht traute, mich meinem Angebeteten zu offenbaren. Er war sogar nett zu mir. Wir waren Freunde! Doch dann kam es zum Zerwürfnis. Ich war so aufgewühlt, dass ich nichts essen konnte. Herrlich! Vielleicht eine etwas drastische Methode, aber eine erheblich zügigere als WeightWatchers. Selbst heute sage ich hin und wieder zu meinem Freund: »Barry, Schatz, wenn du mich aufrichtig lieben würdest, würdest du mich eiskalt sitzen lassen und mir das Herz brechen, damit ich ganz viel abnehmen kann.« (Natürlich
würde ich von ihm erwarten, dass er mich anruft und ausführt, wenn ich erst einmal dünn bin.) Der springende Punkt ist, dass es einfacher ist, an gebrochenem Herzen zu leiden, als sich an eine Diät zu halten. Mir hat mein gebrochenes Herz jedenfalls geholfen, noch einmal etliche Kilos loszuwerden.
Dann geriet mein Gewichtsverlust ins Stocken. Bis ich im darauffolgenden Jahr mit den Diätpillen anfing. Das Zeug war absolut irre, wie Speed. Es war direkt nach dem College. »Ich habe ein Jahr lang praktisch jeden Tag Speed genommen«, sage ich immer. Wahrscheinlich sogar länger, bestimmt zwei Jahre. (Die Jahre vergingen wie im Flug!) Anfangs schlief ich fast überhaupt nicht mehr. Stattdessen lag ich in meinem ersten, ziemlich schäbigen Apartment in der Diamond Street in Philadelphia und hörte, wie mein Herz in den Ohren wummerte, während ich in eine Art Erschöpfungsdämmer verfiel, den man wohl kaum als Schlaf bezeichnen kann. Meistens döste ich gegen fünf oder sechs Uhr morgens ein, um acht stand ich wieder auf und fühlte mich, als hätte mir einer mit der Schaufel eins übergezogen. Also warf ich eine Tablette ein. Dann traf ich mich mit meiner Freundin Anne Marie, die unglaublich hübsch und süß war … und ein Auto hatte. Die Praxis des Arztes war sehr einfach zu finden, weil sich die Schlange nervöser Frauen meistens den gesamten Block entlangzog.
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