Die neue A....- Klasse
Wir stellten uns an und kamen erstaunlich schnell vorwärts. Wenn man das Wartezimmer betrat, ging im Minutentakt die Tür zum Untersuchungszimmer auf, und eine Sprechstundenhilfe rief: »Die Nächste, bitte!« Es lief wie am Fließband. Eine Sprechstundenhilfe wog einen, eine zweite maß den Blutdruck. Wenn man schließlich zum Arzt kam, sagte dieser: »Sie haben diese Woche fast fünf Kilo abgenommen. Geht’s Ihnen gut?« Natürlich interessierte es ihn in Wahrheit nicht die Bohne, und alle Frauen antworteten selbstverständlich »Ja«. Dann drückte er einem einen Umschlag
mit den Pillen in die Hand, und schon stand man wieder auf der Straße. Wir stiegen in den Wagen, öffneten unsere Umschläge und spähten hinein - Tabletten in Form von Weihnachtsbäumen, rosa Füßen (das waren meine Lieblingsteile), weißen Kreuzen oder schwarzen Pferdchen (die konnte ich überhaupt nicht leiden). Damals schaffte ich es auf knapp unter 68 Kilo und damit rund 56 Kilo weniger als an meinem ersten »Rührei und Grapefruitsaft«-Tag.
Jeden Morgen warf ich eine Pille ein und musste mich dann erst noch einmal eine halbe Stunde hinlegen. Ich fühlte mich wie ein Güterzug, der mühsam, Zentimeter für Zentimeter, einen endlos langen, steilen Berg hinaufkeucht. Um halb neun, also exakt eine halbe Stunde später, hatte ich den Berg erklommen … und begann zu fliegen. Ein geschlagenes Jahr lang. Alles war so unglaublich spannend. Ich redete mit niemandem darüber. Ich rauchte drei Schachteln Zigaretten am Tag. Essen stand nicht auf dem Plan. Kein Gedanke daran. Ein Glück, dass ich noch so jung war, sonst wäre mir eines Tages bestimmt der Schädel explodiert.
Mit Ende 20 zog ich nach New York, und mein Gewicht pendelte in den nächsten zehn Jahren zwischen 68 und 75 Kilo, weil ich mich an Diäten mit wohlklingenden Namen wie Bahamas-Diät, Fit for Life oder die Atkins-Diät hielt. Ich habe alle durchprobiert. 1989 wurde ich von einer Werbeagentur engagiert, die mir 2000 Dollar dafür zahlte, dass ich mit Slim-Fast anfing. Ich und 14 weitere Frauen. Wir mussten das Zeug trinken und alle zwei Wochen kommen, um uns in einem affenscharfen rosa Trikot fotografieren zu lassen, und zwar ohne Strumpfhosen. Eine wirksamere Motivation kann man sich wohl kaum einfallen lassen. Ich verlor doppelt so viel Gewicht wie alle anderen. Und das war mein Erfolgsgeheimnis: Ich schummelte. Wir sollten zum Frühstück einen Slim-Fast-Shake trinken, dann einen Slim-Fast-Riegel und ein Glas entrahmte
Milch dazu. Zu Mittag sollte es einen weiteren Shake geben, gefolgt von einer ausgewogenen Mahlzeit zum Abendessen. Aber ich hatte eine bessere Idee. Die Riegel hatten weniger Kalorien als die Shakes, also beschloss ich, die Shakes gleich als Erstes vom Speiseplan zu verbannen! Ich verputzte die Riegel, aber wieso entrahmte Milch, wo Wasser doch viel weniger Kalorien, nämlich überhaupt keine, hat? Die »ausgewogene« Abendmahlzeit bestand für mich über einen Zeitraum von fünf Monaten aus einer staubtrockenen Kartoffel und einem grünen Salat mit ein paar Spritzern Essig darüber. Auf diese Weise verlor ich rund 20 Kilo. Dann fingen die Ohnmachtsanfälle an. Beim ersten Mal war ich mit meinem neuen Freund, den ich mir angelacht hatte, in Maryland. Ich ging vor dem Haus eines Freundes von ihm auf dem Bürgersteig entlang und kippte einfach um. Nach ein paar Minuten war ich zwar wieder auf den Beinen, aber im Lauf der nächsten Wochen kippte ich pausenlos aus den Latschen. Irgendwann zählte ich zwei und zwei zusammen und fing wieder an zu essen, nachdem ich fast ununterbrochen ohnmächtig wurde. Den Slim-Fast-Leuten kann ich keinen Vorwurf machen, weil ich wesentlich weniger zu mir genommen hatte als angegeben. Am Ende meiner Version dieser Diät war ich bei knapp 58 Kilo angekommen, ein Gewicht, das ich etwa eine Woche lang hielt. Es dauerte acht oder neun Jahre, bis ich wieder bei 87 Kilo war. Seither ging es runter auf 75, hoch auf 80, runter auf 67, hoch auf 79 und jetzt, Achtung Trommelwirbel … wieder runter auf 73,16.
Es gibt da einige Sachen in meinem Schrank, die mich davon träumen lassen, es wieder auf 68 Kilo zu schaffen, aber mal ganz ehrlich, im Grunde ist es mir schnuppe. Ich achte darauf, was ich esse, weil ich mich gern gesund ernähren möchte. Ich achte auf Bewegung und mache Stretching, damit ich auch mit 70 noch beweglich bin, aber ansonsten sehe
ich gut aus, finde ich. Meiner Meinung nach habe ich mir eine Zwei in einem Fach
Weitere Kostenlose Bücher