Die neue arabische Welt
bedeutendste Mamlukensultan in Ägypten, schlug die gefürchteten asiatischen Horden 1260 zurück – und begründete eine Mamluken-Dynastie, unter der Ägypten die führende Nation der arabischen Welt wurde. Noch Napoleon traf in Ägypten auf eine Mamlukenarmee.
Die außerordentliche Bedeutung des Mamlukentums erkennt der Historiker Halm darin, dass es »die arabische Welt für Jahrhunderte mit militärischen und politischen Eliten versorgte, die nichtarabischer Herkunft waren und auch, wenn sie das Arabische als Sprache übernahmen, sich ihres fremden Volkstums bewusst blieben«. In dem Jahrtausend bis zu unserer Gegenwart seien in der arabischen Welt Herrscherhäuser arabischer Herkunft eher die Ausnahme als die Regel gewesen.
Es mutet an wie ein paradoxes Lehrstück der Geschichte: Die Kolonisierung der Araber durch das Osmanische Reich und der westliche Imperialismus seit Napoleon setzten nur
eine viel ältere Tradition der Fremdherrschaft fort. Historiker Lewis führt ein besonders sinnfälliges Beispiel aus dem 14. Jahrhundert an: Da spricht ein mamlukischer Sekretär syrischer Herkunft die Araber nicht etwa in der gemeinsamen Muttersprache Arabisch an, sondern auf Türkisch. Denn »er befürchtete, sein Gesicht zu verlieren, wenn er die verachtete Sprache des unterjochten Volkes spräche«.
Das früh geschaffene arabische Großreich mit seiner arabisch-islamischen Universalkultur mündet in eine schier endlose Bevormundung der Araber durch nichtarabische Eliten.
Versiegelte Zeit
350 Millionen Menschen auf der Welt sprechen
Arabisch, das einst globale Bildungssprache war.
Durch den Koran gilt es als sakral und unantastbar –
verhindert das eine zeitgemäße Auffrischung?
Von Angelika Neuwirth
Als sich der Islam im 7. Jahrhundert zur Großmacht aufschwang, bekamen die spätantiken Mächte auch sprachlich Konkurrenz. Mit der Ausbreitung des Islam in den Mittelmeerraum und nach Mesopotamien wurde Arabisch die vierte große Kultursprache der spätantiken Welt. Diese war bisher von Griechisch, Latein und Syrisch-Aramäisch beherrscht.
Der Siegeszug der arabischen Sprache war zunächst nicht abzusehen. Unter den »semitischen Sprachen«, zu denen Arabisch gehört, waren andere politisch und literarisch viel erfolgreicher gewesen: Babylonisch oder Akkadisch etwa, die Sprachen der altmesopotamischen Großreiche, oder Aramäisch, das danach jahrhundertelang die überregionale Verkehrssprache des Nahen Ostens war und wohl auch von Jesus gesprochen wurde; ganz zu schweigen vom Hebräischen, der Sprache des bedeutendsten literarischen Monuments des Nahen Ostens, der Bibel.
Das Auftreten der Araber ist zwar schon etliche Jahrhunderte vor Christus nachgewiesen. Aber über ihre damalige Sprache ist kaum Genaues bekannt, da sie keine nennenswerten schriftlichen Spuren hinterlassen haben. Es gibt nur vereinzelte Inschriften wie etwa der Nabatäer, die die
sagenhafte Felsenstadt Petra im heutigen Jordanien schufen. Selbst aus dem zeitweise überregional bedeutsamen Südarabien, wo die legendäre Königin von Saba geherrscht haben soll, sind nur wenig aussagekräftige schriftliche Zeugnisse überliefert.
Die weitaus wichtigste Dokumentation der vorislamischen arabischen Sprache besteht in einem umfangreichen Schatz von Gedichten, deren älteste aus dem 6. Jahrhundert stammen. Lange Zeit wurden sie nur mündlich überliefert, erst im 9. Jahrhundert niedergeschrieben.
»Eine zarte Traumgestalt hielt mein Auge schlaflos, sie umschwebte mich, während die Karawane in der Wüste Jusur lagerte«, heißt es etwa bei einem Dichter des 7. Jahrhunderts. Die westliche Wertschätzung schwankt zwischen Bewunderung für die »Kraft und Schönheit der Wüstenpoesie« und Überdruss angesichts der Monotonie der Themen. Doch diese Dichtung ist kein arabisches Exotikum, sondern weist enge Verbindungen zur vorislamischen hellenistischen Literatur auf. Gemeinsam ist ihnen vor allem die Trauer über die Vergänglichkeit menschlichen Lebens. Zugleich preist sie den Genuss weltlicher Freuden. Eingekleidet in die Rede beduinischer Helden, die ein heroisches Weltbild verkörpern, ist sie in manchem Detail mit den homerischen Epen verwandt.
Obwohl der Koran bestrebt gewesen war, das heidnische Erbe zu tilgen, konnte sich mit der Dichtung doch ein Stück heidnischer Welt noch Jahrhunderte nach Mohammeds Missionierung auf der Arabischen Halbinsel halten. Der Koran selbst ist nicht zuletzt eine Auseinandersetzung mit dieser Dichtung
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