Die neue arabische Welt
und ihrem Weltbild, er ist vor allem in ihrer Sprache gehalten.
Angelika Neuwirth
Die Professorin für Arabistik an der Freien Universität Berlin, Jahrgang 1943, erforscht unter anderem die Geschichte des Koran und die moderne arabische Literatur der Levante.
Denn die von den nordarabischen Stämmen mündlich tradierte Dichtkunst hatte lange vor Mohammed eine Dichtersprache hervorgebracht, die sich als ideales Medium für die neue Botschaft erwies. Dafür mussten die diesseitigen Ideale der heroischen Dichtung mit ebenso raffinierten sprachlichen Mitteln allerdings durch neue ersetzt werden, mit denen der Gläubige bei seiner Rechenschaft beim Jüngsten Gericht bestehen konnte. Mehrfach betont wird im Koran, dass nach den alten Offenbarungsschriften der Juden und Christen mit ihm nun eine göttliche Botschaft »in deutlicher arabischer Sprache« gekommen sei.
Über Mohammeds eigenes Arabisch ist viel spekuliert worden. Als Mekkaner dürfte er den hedschasenischen Dialekt gesprochen haben, bei dem bestimmte Laute von der späteren Hochsprache etwas abweichen. Ob seine Verkündung aber Spuren dieses Dialekts aufgewiesen hat, lässt sich nicht beweisen.
Auch die in jüngerer Zeit aufgestellte These, der Koran basiere auf einer arabisch-aramäischen Mischsprache und sei erst im Nachhinein in die hocharabische Form überführt worden, ist angesichts der frühen schriftlichen Dokumentation des Textes nicht aufrechtzuerhalten: Die ältesten Koranhandschriften enthalten bereits den Konsonantentext, wie er uns vorliegt. Angesichts der kurzen Zeitspanne zwischen dem Tod Mohammeds 632 und der Entstehung dieser Handschriften etwa 30 Jahre später ist eine nachträgliche Veränderung so gut wie ausgeschlossen.
In der koranischen Verkündung ist das Arabische als Sprache der letztgültigen Offenbarung bezeugt. Dieser Rang spiegelt sich in den – auch im Vergleich zum Judentum und Christentum – ungewöhnlich intensiven und nachhaltigen Bemühungen, den Text in seiner Urform zu erhalten. Die daraus im 9. Jahrhundert hervorgegangene Lehre von der sprachlichen Unnachahmlichkeit des Koran hat – anders als im Fall der Bibel – dessen Übersetzung in andere Sprachen vereitelt. Arabisch konnte als Kultsprache daher auch nicht durch die Muttersprachen der Muslime anderer Sprachräume ersetzt werden.
Dies trug entscheidend dazu bei, dass sich bei den Arabern in besonderer Weise ein an die Sprache gebundenes kulturelles Selbstbewusstsein entwickelte. Es war diese hochentwickelte Sprachkultur, die zusammen mit dem Koran selbst in den folgenden Jahrhunderten das Rückgrat der universellen islamischen Bildungswelt darstellen sollte.
Koranschüler in Medina
Das Fundament für den Vorrang des Arabischen legte nicht die Machtübernahme der Araber in den eroberten Gebieten, sondern erst die dort entstehende neue Kultur. Einige ihrer Herrscher träumten von einem arabisch-islamischen Reich, das an die Stelle des alten Sasanidenreichs und der byzantinischen Herrschaft treten sollte.
Einen solchen Ehrgeiz hatte der Umajjade Abd al-Malik (685 bis 705), der vierte Kalif der ersten arabischen Dynastie von Damaskus. Die Eroberungsfeldzüge, die noch unter den ersten »rechtgeleiteten« Kalifen von Medina aus begonnen worden waren, hatten zwar bereits zur Einnahme der Hauptstadt des persischen Sasanidenreichs samt Mesopotamien geführt wie auch der byzantinischen Provinzhauptstadt Damaskus, 638 schließlich auch von Jerusalem und ab 641 von Ägypten. Aber die Eroberungen konnten nur dauerhaft Bestand haben, weil stets sofort religiöse Zentren eingerichtet wurden und eine eigene neue Verwaltung.
In einer Welt, deren Wertmaßstäbe und Ordnungsvorstellungen in der Religion verankert waren und in der die Bedeutung der großen Kultursprachen von ihren Glaubensgemeinschaften abhing, bedurfte es von Anfang an der Synergie religiöser und politischer Macht. Der Bau des Felsendoms in Jerusalem 691 und der großen Moschee im gerade gegründeten ägyptischen Fustat belegen den frühen Anspruch, den Islam und mit ihm die arabische Kultsprache an die Stelle der griechisch-, syrisch-aramäisch- und koptischsprachigen christlichen Dominanz zu setzen.
Ebenso rasch vollzog sich der Siegeszug durch die nordafrikanischen Küstengebiete, der ebenfalls mit der Gründung neuer religiöser Zentren einherging. Das bedeutendste, Kairouan im heutigen Tunesien, entstand um 670. Dabei mussten die traditionsreichen Bischofssitze in der Region – der
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