Die neue arabische Welt
Kirchenvater Augustinus war von 396 bis 430 Bischof von
Hippo Regius im heutigen Algerien – und mit ihnen die lateinische Sprache bald einer neuen Kultur weichen.
Im Laufe dieser Eroberungszüge, die erst 732 bei Tours und Poitiers zum Stillstand kamen, schufen die Araber in Spanien die Grundlage für eine arabischsprachige, aber ethnisch und kulturell höchst vielfältige Kultur: die andalusische. Nachdem die Umajjaden-Dynastie in Damaskus 750 ausgeschaltet und durch die von Bagdad aus regierenden Abbasiden ersetzt worden war, verlagerten sich die Machtzentren, was nachhaltige kulturelle Folgen hatte. Unter arabischer Herrschaft in Spanien entstanden nicht nur maßgebliche Werke islamischer Theologie sowie arabischer Prosa und Dichtung. Auch bedeutende jüdische Literatur wurde außer auf Hebräisch in arabischer Sprache geschrieben. Gleichzeitig erlebte die arabische religiöse wie säkulare Literatur auch in dem von Bagdad aus beherrschten Osten eine Hochblüte.
Nun schrieben auch Gelehrte aus anderen Kulturen Arabisch. Sie sorgten zudem dafür, dass die wichtigsten literarischen Zeugnisse ihrer Sprachkulturen ins Arabische übersetzt wurden, was der Kalifenhof zeitweise intensiv förderte. Um 1200 lag daher das gesamte Schrifttum der griechisch-hellenistischen gelehrten Bildung auch in arabischer Sprache vor.
Dass dabei so viel mehr literarische und gelehrte Werke entstanden als zur gleichen Zeit im westlichen Abendland, lag nicht nur an der Größe des Gebiets von Spanien bis ins heutige Afghanistan und von der Mittelmeerküste bis in den Jemen. Viel ausschlaggebender war im 8. Jahrhundert eine mediale Revolution: Papier, dessen Herstellung in China entwickelt worden war und sich nun im arabischen Raum verbreitete, war erheblich leichter herzustellen und billiger als das im Abendland benutzte Pergament.
Dadurch konnten auch Werke publiziert werden, die nicht vom Staat oder von Mäzenen gefördert wurden. Mehrere Hunderttausend Handschriften wurden so veröffentlicht.
Die bereits seit dem 11. Jahrhundert erodierende Kalifatsherrschaft fiel 1258 vollends dem Mongolensturm zum Opfer. Damit schrumpfte die weitestgehend von arabischer Bildung geprägte Welt – übrig blieb schließlich nur ein Gebiet, das im Wesentlichen den heutigen arabischen Ländern entspricht.
In den östlichen Provinzen, die nun unter der Kontrolle zumeist turkstämmiger Herrscher standen, setzte sich das Neupersische immer mehr durch. Persische Dichtung, bis dahin nur lokal gepflegt, trat neben die arabische, und Persisch wurde die Verwaltungssprache der iranischen und weiter östlich gelegenen Provinzen. Im 13. Jahrhundert erlebten die Christen Mesopotamiens eine »postmongolische Renaissance« ihrer syrisch-aramäischen Sprache und Literatur.
Noch deutlicher war die Abkehr vom Arabischen in Spanien, wo eine säkulare hebräische Literatur der Juden neu erstand. Wichtige, in arabischer Sprache entwickelte literarische Gattungen wie die Liebesdichtung, der Schelmenroman und die Epistel wurden in der wiederentdeckten hebräischen Muttersprache reproduziert. Mit der Reconquista fiel Spanien 1493 endgültig an die Christen, und die arabische Kultur im Land erlosch. Seinen Rang als alleinherrschende Bildungssprache weiter Regionen des Islam verlor das Arabische also bereits in der Vormoderne – in erster Linie wohl deshalb, weil es sich nicht überall als Umgangssprache hatte durchsetzen können. Eine »Nationalsprache«, in der Umgangs- und Bildungssprache identisch sind, konnte in einem Vielvölkerstaat wie dem Bagdader Kalifat ohnehin nicht entstehen. Nach dessen Zerfall gewannen in allen Bereichen außerhalb der Theologie die
Regionalsprachen die Oberhand. In den arabischsprachigen Kernländern hingegen – Arabien, Irak, Syrien, Jemen, der Golfregion, Ägypten und dem Maghreb – blieb Arabisch als Bildungs- und Schriftsprache ungeschmälert erhalten. Hier erlebte das Arabische im Verlauf des 19. und 20. Jahrhunderts eine Renaissance, die es zur modernen Hochsprache der arabischen Nation formte.
Durch die Expansion des Druckwesens, später durch Rundfunk, Film und Fernsehen drang das Hocharabische immer weiter vor. Nicht zuletzt konnten sich jetzt Frauen, die jahrhundertelang von der Außenwelt abgeschirmt lebten, öffentlich einbringen. Schriftstellerinnen traten bereits während der »Nahda«, der sogenannten arabischen Renaissance, Ende des 19. Jahrhunderts auf.
Intellektuelle, die in europäischen Sprachen gebildet waren, und
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