Die neue arabische Welt
geschickte Außenpolitik.
Das Emirat Katar etwa hat sich mit seinem Satellitenkanal al-Dschasira, mit Hilfsleistungen für die Umbruchländer und im libyschen Fall sogar als Teil der internationalen Militärkoalition an die Spitze der regionalen Veränderungsbewegung gesetzt, sieht aber im Innern noch keinen Bedarf zu weitreichenden Reformen. Tatsächlich fordern die Bürger Katars bisher keine größeren Veränderungen, sondern
gelegentlich bessere Regierungsleistungen und vor allem den Erhalt ihrer privilegierten Lebensbedingungen.
Saudi-Arabien spürt politischen Reformdruck schon eher – allerdings aus Segmenten der Bevölkerung, die wenig miteinander zu tun haben. Wenn sie zu vorsichtigen, aber sichtbaren Reformen bereit sind, könnte es Saudi-Arabien und anderen Golfmonarchien deshalb gelingen, das eigene Staatsmodell aufrechtzuerhalten. Saudi-Arabien, das seine Truppen gegen Demonstranten in Bahrain einmarschieren ließ, läuft allerdings Gefahr, seine regionale Legitimität zu verlieren, wenn es sich auf diese Weise zum Anführer einer »Gegenrevolution« macht.
Wie der Umbruchprozess weiter verläuft, ist offen. Es lässt sich jedoch schon beobachten, wie sich die regionalpolitischen Gewichte und Rollen verschieben. Dabei geht es vor allem um Ägypten, Saudi-Arabien und Iran sowie, als weiteren Akteur, die Türkei.
Ägyptens innere Stagnation spiegelte sich im starken Verlust von außenpolitischem Einfluss. Der politische Umbruch in Kairo dürfte diesen Trend umkehren und dazu beitragen, dass Ägypten nach einer Phase der Konsolidierung seine natürliche Rolle als Trendsetter und Leitbild im Nahen und Mittleren Osten zurückgewinnt. Als geopolitischer Mittelpunkt und bevölkerungsreichster Staat der Region mit großen wirtschaftlichen, diplomatischen, militärischen und kulturellen Potentialen verfügt Ägypten über die Instrumente einer mittleren Führungsmacht. Das neue Ägypten wird wieder eine aktivere regionale Politik betreiben. So hatte Kairo schon in der Umbruchphase klargestellt, dass es auch weiterhin den Posten des Generalsekretärs der Arabischen Liga für sich beansprucht.
Eine demokratisch legitimierte Führung wird dabei noch offenere Türen in Washington und europäischen Hauptstädten
finden als zuvor. Der Westen sollte sich aber auch auf ein sehr selbstbewusstes Auftreten einstellen – auch gegenüber Israel. Keine relevante politische Kraft in Ägypten wird den Friedensvertrag mit Israel in Frage stellen. Man wird sich aber auch nicht mehr zum Hilfspolizisten Israels an der Grenze zum Gaza-Streifen machen lassen.
Israel selbst hat auf die Veränderungen bislang vor allem mit Sorge reagiert. Dabei mischte sich die Angst, dass nun extremistische Kräfte an die Macht kommen könnten, mit der Befürchtung, dass Israel bei einem Sieg der arabischen Demokratie seine Exklusivität als einziger demokratischer Staat im Nahen Osten verlieren könnte. Gerade für die amerikanische Unterstützung des jüdischen Staates war diese Sonderrolle immer von großer Bedeutung. Ägypten wird Israel signalisieren, dass es erstmals die Chance hat, Frieden mit seinen Nachbarn und und nicht nur mit deren autokratischen Herrschern zu machen. Dafür müsste Israel aber zu einer Konfliktregelung bereit sein, die auch in der ägyptischen Öffentlichkeit als fair empfunden wird.
Im Gegenzug zu Ägypten dürfte Saudi-Arabien an Gewicht verlieren. Riad hatte seit Beginn dieses Jahrhunderts eine aktivere Politik in der Region betrieben. So initiierte das Königreich die arabische Friedensinitiative von 2002 und bemühte sich wiederholt um Ausgleich in innerarabischen Konflikten. Saudi-Arabien wurde auch zu einem privilegierten Ansprechpartner der USA und ist neben der Türkei als einziger nah- oder mittelöstlicher Staat Mitglied der G 20.
Wie viel Einfluss Saudi-Arabien verliert, wird nicht zuletzt davon abhängen, wie das Königreich sich angesichts der Umbrüche positioniert. Wichtig ist auch, wer die Nachfolge von König Abdullah antreten wird: Ein betont konservativer, veränderungsresistenter Kurs wird das regionale
Ansehen Saudi-Arabiens untergraben und könnte auch das Verhältnis zu den USA weiter beschädigen.
Entgegen seiner eigenen Propaganda wird Iran kaum zu den Gewinnern der regionalen Entwicklungen gehören, da geht so manche Befürchtung fehl. Teheran konnte nicht übersehen, dass die Revolten in der arabischen Welt keineswegs dem Modell der iranischen Revolution von 1979 folgten. Der real
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