Die neue arabische Welt
erzählt Abri. Und die lokalen Medien rühmten stetig die Errungenschaften des Sultans, seine Güte, seine Weisheit. »Aber wissen wir, ob der Sultan wirklich gütig ist?«, er denkt eine Weile nach. »Ich habe daran Zweifel. Manche sagen, der Sultan wisse nichts über die Armut und Korruption in seinem Land. Aber wie kann das sein? Ich glaube, er weiß alles.«
Vier Romane hat Abri veröffentlicht, einer davon wurde im Oman verboten. Er handelt von einem Mann, der sich durch die Institutionen eines tyrannischen Systems kämpft, es klang ein wenig, als könnte es im Oman spielen. »Es hat mir nie jemand gesagt, dass mein Buch verboten ist. Aber ich fand keinen Verleger. Das ist die Methode.«
Nach drei Stunden des Gesprächs lehnt sich Abri zurück. Ob man noch eine Frage habe? Ja, eine letzte: Wie steht er denn nun persönlich zu Kabus? Abri lacht. »Ich bin Omaner. Auch ich betrachte den Sultan noch immer als meinen Vater.«
Druckwelle des Wandels
Der arabische Frühling verändert
die Kräfteverhältnisse im Nahen Osten. Wer
schafft den Sprung in die Demokratie?
Von Volker Perthes
Gründe zu revoltieren gab es seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten. Die politisch-sozialen Verhältnisse in den Staaten vom Maghreb bis zum Persischen Golf waren vor allem durch eines geprägt: besonders schlechte Regierungsführung. Die arabischen Regime verletzen regelmäßig die Menschenrechte, erlauben sich eine grassierende Korruption und wachsende Ungleichheit, benachteiligen besonders Frauen und die Jugend.
Zu den Impulsen, die nötig waren, um die versteinerten Verhältnisse schließlich in Bewegung zu setzen, gehören sicher die sozialen Netzwerke: Über Twitter und Facebook wurden die Proteste schnell verbreitet. Einige WikiLeaks-Berichte bestätigten Vermutungen über die Gier der Herrscher und ihrer Familien. Gleichzeitig stiegen die Lebensmittelpreise und brachten die Armen in Aufruhr.
Der wichtigste Faktor des Umbruchs aber liegt in der Demografie: Die Generation der 20- bis 35-Jährigen, die diese Revolte in Tunesien, Ägypten und anderen arabischen Staaten im Wesentlichen angestoßen hat, stellt in allen arabischen Ländern mehr als 30 Prozent der Bevölkerung. Sie ist allgemein besser ausgebildet, vernetzter und globalisierter, aber bis zu 90 Prozent der Arbeitslosen kommen aus ihrer Altersgruppe, vor allem bei Hochschulabgängern.
Die jungen arabischen Bürger sehen sich um ihre Zukunft betrogen, um ihre Chancen auf wirtschaftliche und politische Teilhabe.
Es ist eine skeptische Generation, die sich von den Propagandafloskeln der autoritären Systeme nicht mehr überzeugen lässt. Als sich der gestürzte ägyptische Präsident Husni Mubarak in seiner letzten Rede noch einmal damit brüstete, dass er – 1973! – für Ägypten gesiegt habe, dokumentierte er damit bloß, wie groß der Abstand zwischen seinem Regime und dieser jungen Generation geworden war, für die der »Oktoberkrieg« in der Vorzeit liegt und keinerlei politische Legitimität mehr verleiht.
Die Revolten und Revolutionen in der Region entfalten sich mit einer solchen Dynamik, dass Vorhersagen schwer zu treffen sind. Sicher ist, dass sich die Länder unterschiedlich entwickeln werden, denn ihre politischen Systeme unterscheiden sich stärker, als Beobachter aus der Ferne oft wahrnehmen.
Das günstige Klima, das sich in Tunesien und Ägypten dank einer kooperativen Armee einstellte, blieb in anderen Ländern aus. Vor allem im Jemen, in Libyen und in Syrien reagierte das Regime mit brutaler Härte auf die Demokratiebewegung, so wie Iran vor zwei Jahren. Auch wenn die Welle des Aufbruchs bis weit in die arabische Welt reicht, blieb sie in eisern geführten Staaten wie Saudi-Arabien zunächst kaum spürbar.
Eine schrittweise freiere, offenere arabische Welt entsteht derzeit. Sie wird aber viel stärker geteilt sein als bisher – in Hardliner- und Reformstaaten. Vier Entwicklungsprofile zeichnen sich ab: auf der Seite des Wechsels die demokratischen Konsolidierer und die halbdemokratischen Veränderer, andererseits die gefährdeten Regime sowie die ressourcenreichen Ausharrer.
Eine demokratische Konsolidierung ist in Tunesien und Ägypten möglich, allerdings nicht garantiert. Hier gibt es eine starke Mittelschicht und staatliche Institutionen, die sich auch in Krisenzeiten bewährt haben. Die tunesische wie die ägyptische Armee haben unter Beweis gestellt, dass der Staat im Zweifelsfall wichtiger ist als das Regime.
Der Erfolg des
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