Die neue Hoffnung der Föderation (Der Dezennienkrieg 1)
stellvertretende Kommandant wohnte. Verzweifelt blieb Belian stehen und überlegte sogar, ob er zu Wahiri gehen sollte, um nachzufragen, aber das wäre eher der falsche Weg. Ein Crewman durfte sicherlich nicht einfach so zum Schiffskommandanten gehen. Wieder schlug das Bewusstsein, hier ganz am unteren Ende der gesellschaftlichen Hierarchie zu stehen, über Belian zusammen und schnürte ihm die Luft ab.
‚Hilf mir, Louise! Ich ertrage es nicht!’
„… Mister Belian?“ Der schwarzhaarige Leutnant hatte seinen Auftrag erledigt und war mit dem sichtbar getragenen Schlüsselbund herangekommen.
Wieder machte Belian umständliche Anstalten, ihm die Ehre zu erweisen, aber der Terraner hob geradezu abwehrend die Hände.
Mit ihm konnte man zumindest reden, wie es schien. Wenn man denn die Worte kannte. So musste es eben die einfache Variante sein. „Bitte… Leutnant Steinhoff, Sir.“ Belian hatte keine Ahnung, was das französische Wort ‚suchen’ auf Englisch hieß. Hatte Julien Niven es schon einmal in einer seiner chaotischen Lektionen erwähnt? Höchstwahrscheinlich. Weg war es trotzdem. Vergessen.
Der Offizier tat Belian aber den Gefallen und erlöste ihn mit einem einfachen Wink. Steinhoffs Kabine lag direkt gegenüber dem persönlichen Quartier des Kommandanten.
Wahiris Stellvertreter hatte bereits gewartet.
Zunächst fragte der Kollege ihn etwas - oder wollte er nur den Schlüssel zurückgeben?
„Danke, Leutnant Deng.“ Steinhoff machte noch einen Schritt, nahm Belian den Übersetzungscomputer ab und winkte den Rekruten anschließend herein.
Die Einrichtung war beinahe genauso nüchtern und zweckmäßig wie die des Schiffslazaretts. Sicherlich, es gab eine mit Klebestreifen an die Metallwand gepinnte Sternkarte, die sofort Belians Aufmerksamkeit fesselte, und noch dazu einige Sachen wie eine braune Wolldecke und ein paar Bücher, aber ansonsten war das Zimmer des Ersten Leutnants kahl. Das gemachte Bett, ein typischer Stuhl, wie man ihn auf der Berlin überall fand, ein kleiner aus der Wand herausklappbarer Tisch und ein geschlossener Spind. Der wesentliche Vorteil schien zu sein, dass Steinhoff das Quartier mit niemandem sonst teilen musste.
Da der Offizier mit dem Computer beschäftigt war, starrte Belian auf die Sternkarte. Auf Planet Nouvelle Espérance hatte er nie so eine zu sehen bekommen. Die vom Menschen besiedelten Planeten oder vielmehr Sektoren waren zahlreich. Nur zu gern wäre Belian zur Wand gegangen, aber er traute sich nicht. Wo war nur Sol? Und wo befanden sie sich jetzt gerade?
Steinhoff verlangte schließlich nach Aufmerksamkeit. Der Erste Leutnant des Hilfsschiffes räusperte sich. Auf dem nun ausgeklappten Tisch lag der kleine Übersetzungscomputer.
Falls Ihnen noch nicht bewusst gewesen ist, weshalb Sie Ihre Sprachlektionen verdammt noch mal ernst nehmen sollten, so wissen Sie es hoffentlich jetzt! Monsieur Niven predigt Ihnen das nicht umsonst. Mathematik ist nicht alles!
Was wusste Steinhoff von Nivens Bemühungen? Und wieso bestellte der stellvertretende Kommandant Belian hierher? Die sich aufdrängende Vorstellung, dass die Schiffstour und die darauf folgenden stundenlangen Torturen nur der Einschüchterung gedient hatten, machte den Achtzehnjährigen wütend und kühn.
Haben Sie mich so lange das Frachtdeck schrubben lassen, um mir das beizubringen, Sir? Ich gratuliere Ihnen, denn der Punkt ist angekommen. Trotzdem ist die Motivation sehr dürftig!
Er würde Englisch lernen, aber er würde es immer noch nicht gern tun!
Daraufhin bekam er zurückgeschrieben:
Vielleicht fühlen Sie sich ja hierdurch etwas mehr motiviert. Sie sollten allerdings erst die Gleichungen fünften Grades und natürlich unsere Sprache begreifen, bevor Sie hiermit anfangen.
Zusammen mit dem Computer schob Steinhoff ihm ein abgegriffenes Buch herüber.
Harvey&Klein
Den darunter stehenden genauen Titel konnte Belian nicht lesen. Die abgebildeten Sterne waren jedoch ein deutlicher Hinweis.
Transitnavigation?
Der Erste Leutnant war ganz klar amüsiert. Seine nächste Botschaft lautete:
Jeder Mensch sollte ein Hobby pflegen. Nur sollten Sie sich einen besseren Lehrer suchen als Monsieur Niven. Er ist doch etwas eingerostet, wie ich anhand Ihrer täglichen Bemühungen sehen konnte. Gleichungen fünften Grades bereiten ihm Schwierigkeiten und manches seiner Ergebnisse ist falsch.
Das Begreifen war wie eine Ohrfeige. Belian fasste es nicht
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